Romano Guardini Online Konkordanz
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denn was der Gläubige vollzog, war gar kein eigentlich liturgischer, sondern ein von Zeremoniell umgebener privat-innerlicher Akt - nicht selten noch von dem Gefühl begleitet, er werde durch jenes Zeremoniell gestört. Von hierher mußten die Bestrebungen der um die Liturgie Bemühten als eine Absonderlichkeit von Ästheten erscheinen, denen es am christlichen Ernst fehlte.
Die Intensität der Auseinandersetzung auf dem Konzil hat aber jedem aus und mit der Kirche Denkenden zu Bewußtsein gebracht, daß es sich um etwas Wesentliches handle. Wer nicht an Sekundärem - zum Beispiel an der kirchenpolitischen Bedeutung der Volkssprache - hängen blieb, war zur Überlegung veranlaßt, was denn dieses "Liturgische" sei, um das man sich in solcher Weise mühte. Und wenn er konsequent dachte, mußte er zum Ergebnis kommen, der die Liturgie tragende religiöse Vorgang sei etwas Eigenes und Wichtiges.
Suchte er dann nach dem Wesen dieses Eigenen, dann kam er zum Ergebnis, der liturgische Akt werde wohl jeweils von den Einzelnen getragen, das aber, insofern sie ein soziologisches Ganzes, ein "Corpus" bilden: die Gemeinde, bzw. die in ihr präsente Kirche. In diesem Akt stehe nicht nur die spirituelle Innerlichkeit, sondern der Mensch als Ganzes, Geist und Körper. Daher sei das äußere Tun selbst "Gebet", religiöser Akt; die in den Vorgang einbezogenen Zeiten, Orte, Dinge seien keine äußerlichen "Verzierungen", sondern Elemente des Gesamtaktes und müßten als solche realisiert werden und so fort.
In der üblichen Diskussion kommt von alledem meist nur das soziologisch-ethnologische Moment zum Vorschein: die Beteiligung der Gemeinde und der Gebrauch der Volkssprache. In Wahrheit geht es um sehr viel mehr: um einen ganzen Akt, eine ganze Akt-Welt, die verkümmert sind und nun neu aufleben sollen. Dazu müssen sie aber überhaupt erst gesehen, als wesentlich erkannt werden - und die Gefahr ist groß, daß alles Gesagte als "künstliches Getue" abgewiesen werde, besonders von solchen, deren Veranlagung von individualistischer, betont rationaler und, vor allem, ans Herkommen gebundener Art ist -

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