Romano Guardini Online Konkordanz
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Jakob hat sich auf seinem Bett aufgerichtet, von Josefs Hand umfaßt und gehalten. Wunderbar der weiche, weiße Stoff des Ärmels, des warmen Wamses, der die gewaltigen, nun frierenden Glieder des Greises umhüllt; wunderbar das leichte Fell, das ihm über die Schulter hängt! Die Augen sind erloschen. Sie schauen ins Irgendwo. Nur das Innere hinter diesem Gesichte sieht; des Mannes, der mit dem Engel rang; des letzten der Patriarchen; jener Großen, in denen die gewaltige Nähe des Gottesumganges war und zugleich die Nähe zur Erde, der starke Sinn für die Wirklichkeit der Welt. Vor ihm seine beiden Enkel, Manasse und Ephraim. Links der Erstgeborene, rechts der Zweite. Dunkel jener, blond der andere. Jakob soll zuerst den Erstgeborenen segnen. Der erste Segen aber bedeutet die Übertragung des Fürstentums in der Sippe und der geheimnisvollen Erbfolge auf den Messias hin. Der Greis aber richtet die Hand auf das Haupt des Jüngeren, und der, ganz gesammelt, mit über der Brust gekreuzten Händen, licht wie ein kleines Engelwesen, hebt sich in den Segen der Hand. Manasse weiß nicht, wie ihm geschieht; er duckt sich ins Dunkel und sieht nach dem hellen Bruder ...
Oben, senkrecht über seinem Kopfe, noch etwas über dem Vater, blickt Josef herab. Ein blühendes Jünglingsgesicht, möchte man sagen. Man weiß nicht recht, wie man ihn „Vater“ nennen soll; zumal neben seiner Gattin Asneth, der Ägypterin, die viel älter ist als er. Wie sanfte Pfirsiche sind seine Wangen ... Er sieht die Hand des Vaters den falschen Weg gehen; so sucht er sie sacht herzuholen, über das Haupt des Erstgeborenen. Er begreift noch nicht. Er lächelt, jugendlich nachsichtig: „Vater sieht ja nicht mehr! ... Vater ist ein wenig kindisch! ...“ Er weiß nicht, daß da Schicksal geschieht, Verwerfung und Auserwählung. Im Buch der Genesis, im achtundvierzigsten Kapitel heißt es: „Als Josef sah, daß sein Vater seine Rechte auf Ephraims Haupt legte, mißfiel ihm das, und er ergriff seines Vaters Hand; um sie von Ephraims Haupt weg auf das Haupt Manasses zu legen. Und als Josef das sah, da sprach er zu seinem Vater: Nicht so, mein Vater! Dieser ist doch der Erstgeborene; lege deine

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