Romano Guardini Online Konkordanz
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wirklich viel – und vielerlei – geschrieben! Die Sachen stehen auf einem Regal in der Ecke meines Arbeitszimmers, damit man sie nicht so ohne weiteres sieht. Aber beim Herumgehen komme ich doch davor, und wenn ich dann all die Bücher und Büchlein nebeneinander sehe, da wird’s mir manchmal, wie man im Rheinland sagt, »zweierlei«, und ich gehe schnell weg.
Aber die Frage muß doch wohl eine Antwort bekommen: Warum habe ich also so viel geschrieben? Ist das in Ordnung?
Eine erste Antwort könnte sehr einfach sein. Wenn man das Denken und Sprechen und Schreiben zum Handwerk hat, und weiß, Leute, die nicht hören können, was man sagt, wollen es vielleicht doch wenigstens lesen ... und wenn man dazu, wie das Albrecht Goes kürzlich im Rundfunk von mir gesagt hat, »fleißig ist«, weil einem die Arbeit Freude macht ... und, wenn man, endlich, lange lebt und das eine hinreichende Anzahl von Jahren hindurch so treibt – dann gibt’s eben »’n Stück«, wie wiederum die Leute am Rhein sagen.
Doch diese Antwort bliebe wohl äußerlich und würde nicht genügen. Die Sache geht tiefer; so muß ich etwas über die Art sagen, wie bei mir die Gedanken entstehen.
Das geht nämlich so vor sich, daß der Gedanke sich von vornherein mit dem Wort verbindet. Ich bin ja überhaupt der Ansicht, daß alles Denken in der Form eines inneren Sprechens geschieht. So meint ja auch zum Beispiel das griechische Wort logos eins und das andere, das Denken und das Sprechen, in lebendiger Selbigkeit. Deswegen können wir Heutige, die beides trennen, dieses Wort gar nicht richtig übersetzen. Im Alten Testament geht die Merkwürdigkeit noch einen Schritt weiter, denn der hebräische Ausdruck für Wort, dabar, steht sogar für Wort und Ding zugleich, so daß, was wir »Atome« nennen, die Bausteine der Welt, dort die Buchstaben sind. Wunderbar, nicht? Die Welt besteht aus den Dingen; die Dinge aber sind Worte, von Gott ins Sein geschrieben, und wer Augen hat, zu lesen, versteht sie.

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