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Schmäuse und in noch früheren temporibus die Abenddisputationen mit der Hauptsache auf dem oder den Tellern daneben!! Gewiß, die Schmäuse, und was drum herum stand, saß, webte. Der Zirkel*62 in der Schumannstraße ist auch auseinander, und was haben die - gesegneten Klatschmäuler aus ihm gemacht! * Der botanische Garten, Bebenhausen63*, die Straße nach dem Waldhörnle, Du, wie mags wohl gekommen sein, daß mir jeder Ort, jede Straße, jeder Name wie ein Zauber und wie eine trauliche Heimat vorkommt? Mir wird alles hier zuwider, wenn ich dran denke! Ich habe nie gedacht, daß ich Heimweh haben könnte. - - - falls Du von dem Gewäsch nichts weißt, frag auch nicht danach, ich darf eigentlich nichts davon sagen, faß es also auch bitte so auf. Vor einigen Tagen habe ich hier meine erste Predigt gehalten.*64 Sie ist gut aufgenommen worden. Hast Du einmal über die Psychologie der Predigt nachgedacht? Zwei Gegensätze liegen hier. Einmal der: Mittelalter - Neueste Zeit. Dort eine verhältnismäßig objektive Darstellung des Stoffes, mit Begeisterung wohl für ihn, aber ohne eigentliche Rücksicht auf die Menschenseele. Hier eine Sammlung des ganzen Interesses auf diese, bis zur Vernachlässigung des Objektiv-Dogmatischen. Uns interessiert weniger die Frage: was ist objektiv? als die: was bedeutets für die Seele? All das Objektive, Dogmatische, Metaphysische hat eine Entsprechung in der Seele, ihm entspricht, wenns erlebt wird, eine Bereicherung, eine Vertiefung - oder eine Verarmung; es sind Lebensschätze und wir wollen wissen, wie und wofür. Und dafür müssen wir auch die neue Sprache finden. (Försters Jugendlehre*65 hat sie prächtig! Sie kann oft direkt gepredigt werden.) Weißt Du, unsere traditionelle Predigtsprache ist oft gar kein Deutsch, ist voll von Latinismen: die sogenannten gewählten Ausdrücke (»der Verderbnis anheim fallen« »ins Verderben stürzen« »der Gnade entbehren«.) Sie stammen aus der klassisch-rhetorischen Bildung. Nicht zum Wenigsten machen sie z.B. das stereotype Gepräge der Jesuitensprache aus. Das kam mir zu Bewußtsein, als bei Tisch Ad. v. Doß' Lebensbeschreibung*66 vorgelesen wurde. Wir aber 62 Der Zirkel hieß »Der Gral«, um »das deutsche Dichten und Denken aus dem Geist des katholischen Mittelalters zu erneuern« (Hagen, Gestalten 3, 246f.), wurde aber von anderen »Schönfurzia« oder »Kunstgogen« genannt. Vgl. GF 49. 63 Heute ein Ortsteil von Tübingen. 64 Ab 1. Juli 1910 war Guardini Kaplan in Heppenheim/Bergstraße. 65 Friedrich Wilhelm Foerster, Jugendlehre. Ein Buch für Eltern, Lehrer und Geistliche, Berlin 1904. Vgl. Br. 1. 66 Adolf von Doß SJ (1825, Pfarrkirchen, bis 1886, Rom), schrieb auch Opernlibretti und das vielaufgelegte Werk: Gedanken und Ratschläge, gebildeten Jünglingen zur Beherzigung, Freiburg 9. Aufl. 1894 (BM). | ||
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