Romano Guardini Online Konkordanz
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fragen: Was ist?, dann lautet die erste Antwort: Er, Gott. Dann erst, im Abstand der Anbetung, heißt es weiter: die Welt ist, und in ihr bin ich. Dieses aber, das Endliche, ist nur, weil Er es im Sein hält. Er durchwaltet es, ist ihm inne, tiefer, als es sich selbst je inne werden kann. Dennoch spricht die Offenbarung von Ferne und Nähe.
Was zwischen Menschen geschieht, ereignet sich zwischen den beiden Polen der Nähe und Ferne: Finden und Verlieren, Erfüllung und Entbehrung, Liebe und Treue. So hat die Offenbarung jene Lebenspole zum Gleichnis genommen, und die Kunde von dem, was zwischen Gott und dem Menschen geschieht, in sie hineingebettet.
Im ersten Brief an Timotheus mahnt der Apostel seinen Schüler zur Treue gegen "den König der Könige, den Herrn der Herrscher, dem allein Unsterblichkeit eigen ist; der in einem Lichte wohnt, in das niemand Zutritt hat; den kein Mensch gesehen hat, noch sehen kann" (1 Tim 6,14-16).
In den Worten wird Gottes Ferne fühlbar: seine heilige Unzugänglichkeit, die aber kein bloßes Fern-Sein ist, sondern den Blick ins Unerschaubare zur Anbetung macht. Wenn Gott sie empfinden läßt, dann ist das eine Weise, wie Er sich schenkt - ebenso wie es tiefste Innewerdung bedeutet, wenn Er zu erfahren gibt, daß Er alles Erkennen übersteigt.
Die gleiche Offenbarung spricht aber auch - und es bildet ja recht eigentlich ihre "gute Botschaft" - von Gottes Nähe. Sie ist zum ersten Mal wirklich geworden, als Er die Welt schuf.
Aber halten wir einen Augenblick inne. Was das Leben des Glaubens müde macht, ist das beständige Hören und Sagen und Lesen der heiligen Worte. Darin werden sie staubig und alt; so muß der, dem an ihnen liegt, sie immer wieder blank und neu machen. Daß Gott die Welt geschaffen hat, ist ein Geheimnis, das Ur-Geheimnis, das Alles umgibt - denn wie kam es, daß Er das tat? Er ist ja doch kein Mythen-Gott, der die Welt braucht, um selbst sein zu können! Zeus und Gaia und Poseidon: verschwände die Welt, dann wären sie nicht

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