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geradewegs zu Gott gehen. So steht neben der Vita activa ihr fruchtbarer, nichtfeindlicher-Gegensatz: »Vita contemplativa«. Darin will die Seele bei Gott sein, sich dessen bewußt werden, was im Geheimnis des »Ich und Du« zwischen Gott und ihr beschlossen ist. Sie will dessen Wahrheitsgehalt aussprechen, sein zartes Mysterium preisen, seine Erhabenheit bezeugen. In Worten, und zwar in stärkeren, feierlicheren, als der Alltag sie kennt: Das ist das Gebet. In Gebärden, die kräftig sind, das Innere auszudrücken, in Handlungen von mitteilender Gewalt: Das sind die Riten. Die Seele verlangt nach Räumen, aus deren geformter Weite das Übersinnliche atme: Das sind die Stätten der religiösen Übung, die Tempel und Kirchen. Sie will feierliche Gewänder, die sofort die heilige Handlung aus dem Bezirk des Alltags herausheben: edle Geräte, die die Notwendigkeiten und Verrichtungen des Menschenlebens dem Heiligen dienstbar und zu Symbolen des Ewigen machen. Und hier wie überall sucht der Mensch Gemeinschaft. Gewiß, das religiöse Leben hat den Trieb, einsam zu sein und sich in sich selbst zu verschließen. Aber gerade es drängt auch wiederum mit besonderer Gewalt zu den anderen. Mit ihnen zusammen fühlt der Mensch sich sicherer in seiner Stellungnahme zu den höchsten Dingen. Er wird der religiösen Güter froher, wenn er sie mit anderen teilt. Er fühlt die Gemeinschaft mit den ihm Nahestehenden erst zu ihrer letzten Kraft und Innigkeit gesteigert, wenn sie auch das religiöse Leben umfaßt. Er will endlich, daß auch die Gemeinschaft als solche und öffentlich dem höchsten religiösen Gut huldige. So schließen sich die Einzelsubjekte im Sozialsubjekt als einer höheren Einheit zusammen, welche letztere als solche religiös tätig ist. Das sind die Kräfte, aus denen der Kult hervorgeht. In ihm gewinnt die religiöse Innerlichkeit ihren unmittelbar auf Gott gerichteten Ausdruck; in ihm wird alles Äußere in den Dienst dieses Ausdrucks gestellt; in ihm ist nicht mehr der Einzelne, sondern die Gemeinschaft Träger des religiösen Verhaltens. | ||
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