ungenügende und wesenswidrige Verkörperungen habe sie sich gewendet. Wahr ist, daß die nicht-katholische Jugendbewegung nur aus einem geschichtlich bedingten Mißverständnis heraus sich auf die kantische Autonomie gestellt hat. Sie wollte sich vom "Alten" freimachen; so kehrte sie gegen dies Alte dessen schärfste Waffe, nämlich die kantische Haltung der vollkommenen Souveränität der Persönlichkeit. In Wahrheit aber hatte sie diese seinsmäßig bereits überwunden. Denn die neue Jugend steht mit ihrem lebendigen Sein in einer anderen Welt, in einer ganz anderen seelischen Haltung als der wirklichkeitsferne Autonomismus Kants. Nikolai Hartmanns Metaphysik der Erkenntnis (Berlin-Leipzig, 1921) läßt den ungeheuren Abstand erkennen, den die letzten Jahre zwischen das gelegt haben, was heute lebendig ist und denkt, und das, was um 1900 herum war und dachte. Bereits die Jugend des Hohen Meißner war in Wirklichkeit viel weiter als ihr kantisches Bekenntnis, wußte es nur nicht. Aber furchtbar wäre es, wenn ihre Erben heute sich wider ihr eigenes Sein mit Denken und Wollen auf den Autonomismus versteifen wollten. Das alles ist wahr. Trotzdem habe ich noch nicht sehen können, daß die nichtkatholische Jugendbewegung das wahre Problem der Autorität überhaupt sieht. Wohl betonen die Entgegnungen, man erkenne deren Bedeutung; doch aus dem Ganzen geht hervor, daß die Autorität nur psychologisch-pädagogisch genommen wird. Das eigentliche Problem liegt aber überhaupt nicht im Praktischen, sondern im Metaphysischen. Ob die sittliche Verpflichtung nur in der Sphäre des Gültig-Ideellen, oder aber primär im Ontischen, in der Sphäre des Wirklichen ruht (genauer: des Göttlichen, welches absolute Wirklichkeit und Idee in Einem ist), darin liegt die Entscheidung. Trifft das Erste zu, dann hat die Autorität nur praktisch-erzieherische und damit relative Bedeutung; wenn aber das Zweite, dann grundsätzliche und absolute. Denn dann ist die erste Quelle der Verpflichtung der zugleich ideelle und wirkliche, der lebendig-heilige Gott. Das bedeutet aber: Die absolute Autorität, von der die irdischen Autoritäten Stellvertreter sind.
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