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selbst. Und gerade dadurch so tief dessen Wesensgestalt, daß sie ganz "Dante" ist *1. Diese Sinnordnung bildet die Norm für jedes wirkliche Verständnis der Göttlichen Komödie. Sie gilt für alle in ihr handelnden Persönlichkeiten, auch für Vergil. Er ist zunächst der Mann aus Mantua, Dichter der augusteischen Zeit, ruhmumwoben um seines Werkes willen, vor allem der Aeneis, in welcher er dem auf dem Gipfel seiner Weltbedeutung angelangten römischen Reich das dichterische Fundament seines Geschichtsbewußtseins, den Mythos seiner Gründung gegeben hat. Er selbst sagt: "Zu Julius [Caesars] Zeit ward ich geboren ... und lebt' in Rom unter dem gütigen Augustus, zur Zeit der falschen, lügnerischen Götter. War Dichter, und sang von dem gerechten Sohne des Anchises, der von Troja kam". *2 (I 1, 67-75). Diese Identität ist aber nicht abstrakt, bloß behauptet, sondern der Vergil der Göttlichen Komödie ist ein Mensch von deutlicher Art und intensiver seelischer Farbe. Auch stimmt seine Charakterisierung mit jener seiner historischen Persönlichkeit merkwürdig überein. Vergils Wesen wird vor allem durch zwei seelische Spannungen bestimmt. Er hat die strenge und große Art, die der Aufgabe entspricht, Dante durch die Prüfungen zur Freiheit zu führen und ihm das Dasein zu deuten; ist "savio, che tutto seppe"; "maestro", "duca" und "segnore". Er hat eine Autorität des Wesens wie der Sendung, vor welcher Dante sich voll Ehrfurcht beugt. In ihm ist aber auch eine gütige, sorgende Seele, die durch den Auftrag allein nicht gefordert wäre, sondern aus der Echtheit innerer Gestalt kommt. Das Gedicht hätte ihn auch als einen in kühler Überlegenheit durch Geheimnisse *1 Vgl. dazu R. Guardini, Das Dante-Bild der Göttlichen Komödie in: Sprache - Dichtung - Deutung, Würzburg 1962, S. 141ff [Mainz/Paderborn 1992, S. 132ff]. *2 Übersetzung vom Verfasser. Um die Gedanken möglichst getreu herauszubringen, verzichtet sie auf Reim und Versmaß und begnügt sich mit einem freien Rhythmus. | ||
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