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Glauben und Fluch vor allem der Geduld!« – muß nicht jeder starke Geist bei dem Wort dieses Gefühl haben? Die Geduld kann das, muß es aber nicht sein. So hat man zum Beispiel gesagt, Genialität sei Kraft zur großen Geduld, und damit Recht gehabt, denn Ungewöhnliches reift nur in langem Vorbereiten und Durchtragen. Vom großen Mann der Tat kann man ebenfalls sagen, er müsse fähig sein, zu warten, obgleich es in ihm brennt, bis der Augenblick kommt, und das Dasein sich ihm in die Hand gibt. Auch das ist Geduld. Und wieder ist sie die stille Kraft, mit welcher ein Mensch sein Schicksal von innen her überwindet ... Geduld kann also durchaus eine Tugend der Größe sein – vielleicht jene, mit welcher der große Mensch sich der Wirklichkeit bemächtigt. So hat es einen guten Sinn, wenn wir nach der Geduld Dessen fragen, der groß einfachhin ist. Und wenn auch die Gedanken zuerst etwas abseitig erscheinen mögen, so werden sie schließlich doch in eine anbetungswürdige und tröstliche Wahrheit einmünden. II. Gottes Geduld offenbart sich in seiner Beziehung zur Welt und zum Menschen. In ihm selbst ist sie weder notwendig noch möglich, denn er ist ja seines unendlichen Daseins sicher und selig, aber sie beginnt schon an den Wurzeln der Schöpfung. Die Dinge bestehen so, daß sie beginnen, sich herauszubilden, zu ihrer Klarheit gelangen und wieder zerfallen. Dieses Werden geht oft durch lange, manchmal durch unabsehlich lange Zeiten hin. Was uns die Wissenschaft über die Werdezeiten des Weltgefüges sagt, ist nicht mehr vorzustellen. Von dieser Unmeßbarkeit eingeschlossen, verschwindend gegen sie und doch größer, als wir uns vergegenwärtigen können, vollzieht sich der Werdegang unserer Erde. Spät in dessen Verlauf, für uns aber unerdenklich früh, beginnt unser menschliches Dasein und | ||
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