Romano Guardini Online Konkordanz
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die frömmsten, diejenigen, deren Gedanken und Herzen berührt waren von Seinem Geheimnis, da kann uns ein Gedanke kommen, ein merkwürdiger Gedanke: Fehlt diesem Gott nicht etwas? Sehen Sie einmal: Was ist denn das, was uns Menschen eigentlich erfüllt, was gehört wesentlich mit zu unserem Dasein? Daß wir das, was wir mit unserem Geiste erkennen, was unser Herz berührt, hineintun können ins Wort und können es im Worte dem andern gleichsam zureichen, damit auch er es habe. Und so können wir sprechend dem andern Anteil geben an unserem Leben, und Anteil haben an dem seinen. Sprechend geben und haben wir teil an der Wahrheit. Und wir können den andern lieben. Wir können ihm geben, was wir haben, und empfangen, was er uns gibt. Und in dieser Gemeinschaft der Wahrheit und der Liebe erfüllt sich unser Menschendasein.
Und wie ist das bei Gott? Wenn wir sagen: Gott ist unendlich selig, Er hat alle Herrlichkeit in Sich, Er ist heilig und erfüllt - wem gibt Er aber diese Fülle, die Er in Sich hat, mit wem teilt Er sie? Ist Gott nicht unendlich einsam, wenn Er bloß in Sich selbst lebt? Und nun kommen Menschen und sagen: Deswegen hat Gott die Welt erschaffen müssen, auf daß Er ihr Anteil geben könne an dem, was Er hat. Er hat Menschen, Er hat Wesen schaffen müssen, um gleichsam bei ihnen jenes Ich und Du zu finden, das Er in Sich allein nicht hat. - Was wäre das für ein armer Gott!
Und nun kommt die Offenbarung in Christus, und da sehen wir, daß Christus uns das letzte Wort über Gott gebracht hat: In Gott ist ein Erkennen, über alle Grenzen gewaltig. Und indem Gott Sich erkennt, nimmt dieses Erkennen Gestalt an und antwortet Ihm. Und das ist der Sohn. Der erkennt, ist der Vater. Und die ganze Fülle Seiner Wahrheit, der ganze abgründige Reichtum Seines Wesens geht ein in die Erkenntnis. Und es antwortet Ihm der Sohn. Und doch ist ein Gott. Verstehen wir das? Nein. Aber wir ahnen: In Gott muß ein Geheimnis unsäglicher Gemeinschaft sein. Aus Christus leuchtet es uns entgegen.

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