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des Lebens und fühlt sich aus Selbstachtung verpflichtet, ihr standzuhalten. Er mag körperlich gar nicht besonders stark sein; ist vielleicht sehr leidensfähig und wird daher von äußeren wie inneren Widerfahrnissen empfindlich getroffen. Trotzdem steht er fest; geht ruhig voran; begegnet dem Geschehen ohne Furcht. Natürlicher Adel also - freilich auch Vorbestimmung für schweres Schicksal. Das alles ist Anlage. Einer hat sie oder hat sie nicht, und sie kann zum Guten ausschlagen wie zum Schlimmen. Kommt sie in die Hand kluger Erzieher, erkennt der so Begabte selbst seine Möglichkeiten, dann gerät sie zu einem brauchbaren, guten, sogar edlen Leben. Wir wollen aber hier von dem sprechen, was - wenn nicht besonders ungünstige Umstände entgegenstehen - bei jedem möglich ist und daher auch sittlich gefordert werden darf; Aufgabe ist, und zu dem man sich erziehen soll. Wie würde eine solche Tugend aussehen? Wie würde sie sich auswirken? Gehen wir gleich in den Mittelpunkt, von dem alles Übrige bestimmt wird, der freilich auch am schwersten zu verwirklichen ist. Da bedeutet Mut, das eigene Dasein anzunehmen - wir haben bereits in früheren Überlegungen davon gesprochen. Dieses Dasein ist ein Gewebe aus Gutem und Schlimmem, Freudigem und Leidbringendem; aus Dingen, die helfen und tragen, ebenso wie aus solchen, die hindern und lasten. Mut aber bedeutet, darin nicht auszusuchen, was gefällt oder leicht gelebt werden kann, sondern das Ganze so anzunehmen, wie es ist, im Vertrauen, daß darin göttliche Zuweisung liegt. Jeder Mensch trägt jenes geheimnisvolle Etwas in sich, das man die Wesensgestalt nennen mag. Sie bedeutet, daß die Eigenschaften nicht wirr zusammengeschüttet sind, sondern ein Ganzes bilden; etwas Zusammenhängendes, Entschiedenes, das trägt, aber auch fordert. Darin stützt ein Element das andere, ebenso wie auch jedes seine Gefahr mit sich bringt | ||
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