Romano Guardini Online Konkordanz
Treffernummer:

 < Seite 118> 


II.
Das Weltbild von Dantes Dichtung ist das alte ptolemäische, von Gedanken durchdrungen, die aus der mittelalterlichen, neuplatonisch-augustinischen Philosophie stammen. Es geht über die bloße kosmologische Konstruktion hinaus und zeigt einen ausgesprochen metaphysischen Sinn, der sich dann noch ins Persönliche vertieft.
In diesem Weltbild hat der Kosmos Kugelgestalt. Seine Mitte bildet die Erde, die, durch ein Ineinanderspiel harmonischer Kräfte gehalten, in sich selbst ruht. Um die Erde liegt zuerst die Luft-, dann die Feuerhülle, also der Raum der beiden flüchtigen Elemente; während die konsistenten, Erde und Wasser, sich auf ihr selbst befinden. Um diese beiden Bereiche schließen sich die neun Himmelssphären. Dem alten Weltbild ist der Begriff der Gravitation unbekannt; so denkt es die Gestirne in Kugelschalen aus durchsichtiger Substanz eingefügt, die um die Erde kreisen. Sieben sind nach den von ihnen getragenen Planeten benannt; um die letzte Planetensphäre kreist der Fixsternhimmel; um diesen der Kristallhimmel oder das "primum mobile". Die Vorstellung ist uns fremd geworden; immerhin mögen wir uns erinnern, daß sie noch in den Prolog des Faust hineinwirkt.
Die Oberfläche der letzten Sphäre meint etwas gedanklich Unvollziehbares, nämlich den Rand der Welt - in ähnlicher Weise unvollziehbar, wie das andere Ufer des Okeanos in Homers Odyssee es ist. Um sie liegt das Empyreum, der Ort Gottes. Sein Begriff transzendiert den des Raumes in jenen der "mente divina", welche alle Wertfülle und Sinnmacht in sich befaßt.
Die ganze Vorstellung steht unter dem Einfluß eines Gedankens, der seine maßgebende Ausgestaltung durch Plotin erfahren hat. Danach ist das höchste Seiende allbefassend und all-einfach zugleich. In ihm ist aber auch unendlicher Drang nach Mitteilung; so ist es Ursprung, "Quelle", und entläßt aus sich die Welt.

 < Seite 118>