Romano Guardini Online Konkordanz
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Hier handelt es sich um das Zusammenleben einer größeren Anzahl von Menschen - beim ersten Mal waren es an hundert, beim zweiten mehr als das Doppelte, beim dritten Mal rund anderthalbhundert - und durch eine Reihe von Tagen hin. Ein solches Zusammensein muß nicht nur menschlich, sondern auch geistig von innen heraus geformt werden, sonst zerfällt es. Eine sorgsam bedachte und jede Zeitspanne durchwirkende Ordnung gehört dazu, um gerade das zu erreichen, was scheinbar von selbst kommen sollte: die wohltuende, natürliche Selbstverständlichkeit. Es könnte auch sein, daß der Lesende sich zu persönlich angesprochen fühlte, und er hätte recht - solange er eben nur "Leser" bliebe. Geistliche Übungen haben aber im stärksten Maße den Charakter lebendiger Zusammenarbeit. Steht also der Sprechende an seinem Platz, dann muß er so reden, daß jeder Einzelne das Wort an sich gerichtet fühlt.
Am fragwürdigsten könnte der, sagen wir, suggestive Charakter des Sprechens berühren. Allein verschiedene Gelegenheiten erfordern verschiedenes Wort. Einen Gedanken zu entwickeln, geht anders vor sich, als eine gemeinsam erlebte Situation zu deuten. Die sachliche Weisung eines Vorgesetzten unterscheidet sich vom Sprechen dessen, der die Arbeit einer Gemeinschaft fördern, das in ihrem Zusammensein sich vollziehende innere Geschehen ermutigen und ihm zur Klärung helfen soll. Hier werden die Gedanken von selbst den "objektiven" Charakter verlieren und in eine zwischen "Sache" und "Leben" stehende Zwischenform übergehen.
Wer das alles berücksichtigt, wird das, was beim prüfenden Lesen irgendwie als zu nahe kommend scheinen könnte, bald als notwendig, ja selbstverständlich erkennen.
Endlich noch etwas zu den dargelegten Gedanken selbst. Sie sind nicht theoretisch, sondern aus dem lebendigen Zusammenhang der Zeit heraus gedacht. Manche werden vielleicht in ihnen klare Begrifflichkeit und entschiedenen Willen vermissen; Quietismus oder Mystizismus oder sonst etwas der Art empfinden. In Wahrheit liegt dem Verfasser nichts ferner, als Verstand und Willen

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