Die eine stammt aus der Welt des Kindes. Es lebt im elterlichen Haus und der Familie; in dem kleinen und doch so reichen Bezirk, wo es geboren worden ist und die Sorge der Eltern es umhütet. Wenn es mit dieser Familie richtig steht, gibt es in ihr eine trotz aller kleineren und größeren Schwierigkeiten unbezweifelte Autorität: die des Vaters und der Mutter. Sie bestimmen, was zu geschehen hat. Sie sorgen für die Bedürfnisse des Kindes. An sie wendet es sich mit seinen Anliegen und Nöten. Von ihnen wird es zurechtgewiesen, wenn es fehlt und belehrt, was es tun soll. Nach dem Bilde dieses kleinen Daseins stellt es sich das große der Welt und Menschen überhaupt vor. Auch da gibt es eine oberste Macht; einen Vater von der Art, wie der zu Hause, nur sehr viel größer und mächtiger und geheimnisvoll über allem waltend. Ihm gehören alle Dinge, und er bestimmt, wie sie sich verhalten müssen. Er kennt alle Wesen, ihre Bedürfnisse und Nöte und sorgt, daß sie haben, was sie brauchen. Er waltet auch über dem Kinde selbst; sieht, was es tut, auch im geheimen; blickt ihm ins Herz; hört sein Gebet; schützt es und hilft ihm ... Diese Vorstellung ist schön und innig, paßt aber nur für das Kind – allenfalls noch für jene seltenen Menschen, die mit einer echten kindlichen Art so lauteren Ernst und so lebendigen Wirklichkeitssinn verbinden, daß sie in ihrer Einfalt doch wirklich erwachsen sind. Im allgemeinen hält diese Vorstellung aber nicht stand, und wollte einer sie doch aufrechterhalten, dann würde sie zum Märchen werden. Die Erfahrung zeigt denn auch, daß gerade hier oft die ersten religiösen Erschütterungen einsetzen: wenn sich etwa der heranwachsende junge Mensch in irgendeiner Schwierigkeit an Gott wendet, überzeugt, er werde genau so erhört werden, wie er es für richtig und nötig empfindet, aber auf alle noch so vertrauenden und dringlichen Bitten nichts erfolgt. Die Enttäuschung darüber erzeugt dann leicht ein Gefühl, dort, wohin das Gebet sich gewendet hat, sei gar niemand, und die Lehre von Gott sei ein Kindermärchen. Was Jesus meint, hat mit dieser Vorstellung nichts zu tun – ebensowenig wie das Kindtum, von dem er spricht, etwas Unerwachsenes oder Idyllisches bedeutet.
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