![]() | Treffernummer: |
< | Seite 269 | > |
Da ist einmal die radikale Askese des Buddhismus, genauer gesagt, seiner strengen, südlichen Ausprägung. Deren Lehre lautet: Alles, was ist, ist Leiden. Und zwar ein Leiden, das im Letzten nichts Positives erzeugt; daher im Grunde Unwert einfachhin. Von allem Seienden gilt, es wäre besser nicht. Seiend ist es aber deshalb, weil der Lebenswille – „der Durst“ – es hervorbringt. So besteht die Aufgabe darin, diesen Willen zum Erlöschen zu bringen. Gelingt das, dann ist damit das Sein aufgehoben. Das bedeutet zunächst Verzicht auf jeden Genuß, durch den der Heilsuchende sich von den Sinnen ablöst. Dann Liebe zu allen Wesen, deren Sinn aber wesentlich negativ ist, da sie die Selbstliebe aufheben soll. Endlich die Kernlehre von der radikalen Bewußtmachung. Bewußtheit zerstört das Leben; dringt sie bis zur Wurzel des Lebens vor, dann hebt sie das Lebenwollen, Lebenkönnen und, von da aus, das Dasein überhaupt auf: Erlösung vollzieht sich; „nichts mehr ist“; Nirvana. Es bedarf keines besonderen Nachweises, daß wir unter „Askese“ nicht diese verstehen. Der Seiende einfachhin ist Gott; Inbegriff des Heiligen, Lebendigen und Seligen. Er hat die Welt geschaffen; so ist sie sinnvoll und gut. Was das Leiden angeht, so schafft es Werte, sogar solche höchsten Ranges. Das Böse aber kommt aus dem Willen des Geschöpfes; und nicht aus dem Willen zum Leben, sondern zur falschen Richtung des Lebens. Mithin lautet die Forderung nicht, die Welt aufzuheben, sondern sie zum Guten zu kehren. Eine andere Vorstellung von Askese ist die dualistische. Sie erscheint vor allem in den verschiedenen religiös-philosophischen Systemen der Gnosis. Nach dieser ruht die Welt auf zwei Prinzipien, deren eines der Geist, das andere die Materie ist. Der Geist ist das Lichte und Gute; die Materie das Finstere und Böse. So ist alles Materielle böse: die Dinge, der Leib mit seinen Trieben, der sinnliche Genuß in seinen verschiedenen Formen, in besonderer Weise das Leben des Geschlechts. | ||
< | Seite 269 | > |