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sich selbst ihre Kollegen wählen, jeweils für 1 Monat. Im Konvikt selbst besteht ein Wanderklub. Sonntags ziehen sie zu 8-10 aus, mit Zelt und Tornister. Sie haben je 2 Klassen zusammen einen Studiersaal. In dem müssen sie 1 Stunde lang nach Beginn der Studierzeit sich aufhalten. Dann dürfen sie sich im ganzen Haus verteilen, wohin sie wollen, jedoch unter Stillschweigen. Es ist nun ganz außerordentlich, wie das gehalten wird. Ganz plötzlich kamen wir in die Studierzimmer, oder Schlafsäle u.s.w., aber kein Wort wurde gesprochen, die Jungens drehten sich kaum nach uns um. U. zw. nicht aus Angst oder Drill, denn noch nirgends sah ich so frische Gesichter, und eine so freie Haltung wie da. Sondern sie sind überzeugt, daß zum Studium das Stillschweigen gehört, und halten es freiwillig. Einmal in der Woche ist - nicht Exhorte*242 sondern - eine Besprechung. Da versammelt Dr. Strehler die Jungens um sich, und stellt eine Frage zur Erörterung. Z.B. woher kommt die stets vorhandene Spannung zwischen Konviktoristen und den übrigen Gymnasiasten, und was hat man zu tun? Oder: Wie erreicht man, daß ganz von selbst Ordnung im Konvikt ist? Oder: wie ißt und trinkt man in gesitteter Weise, u. dgl. Ebendort werden auflaufende Disziplinarfragen erörtert; und wenn jemand einen Wunsch äußert, einen Vorschlag macht, dann wird er geprüft und, wenn möglich angenommen. Dr. Strehler selbst hat eine ganz unantastbare Autorität im Hause. Zugleich aber versteht er es, alles was an selbständigen Kräften in den Jungen ist, zu wecken. Auch das wird Dich interessieren. Morgens machen sie während der hl. Messe ihre Betrachtung. Er läßt sich dann bei Semesterschluß ihre Meinung über die Betrachtungsbücher sagen, und richtet sich entsprechend bei der nächsten Verteilung. Sie wollten nichts Weichliches, oder Sentimentales, auch nichts Gekünsteltes sagte er. Besonders beliebt sei die Philothea*243. Freuts Dich? Ich hätte noch viel zu erzählen. Mündlich mehr. Selbstverständlich bin ich gern bereit, uns in Beuron zu treffen. Anfang nächster Woche gehe ich nach Freiburg zurück. Von da an stehe ich zur Verfügung. Schreib mir zeitig, wann Du hin kommst, ich richte mich danach. - Wenn ich Dich recht verstehe, willst Du keine Geschichte der Malerei, sondern ein Werk über die Aesthetik und Technik der Malerei? Ich 242 »Ermahnung«: wöchentliches Treffen der Leitung mit den Jugendlichen. 243 Geistliches Hauptwerk des Franz von Sales; vgl. Br. 14. | ||
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