Romano Guardini Online Konkordanz
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katholisch. Und darin sollen die Menschen eine Weile atmen, denken, sehen. Dann nehmen sie vielleicht nicht viel Einzelerkenntnisse mit, aber ihr Sein ist richtiger geworden. Und in Zeiten der Verwirrung erinnert sie etwas, daß es eine wirkliche Ordnung gibt, denn sie haben darin gelebt. Ich selbst aber vermag, wenn ichs vermag, diese Luft nur zu schaffen, weil ich aus der Kirche her zu reden suche. - Aber ich fühle mich hier doch nicht zu Hause. Weißt Du, mir ist so zu Mut, wie einem Künstler inmitten bürgerlicher Solidität. (wirklicher Solidität; ich will nicht spotten!) Er fühlt sich dieser gegenüber überall fragwürdig, und weiß sich doch überlegen. Ob einmal die Zeit kommt, da ich mein eigentliches Werk schaffen darf? Eine Stätte, an welcher jene »Luft« dauernd ist? Das wäre die »Akademie«.*751 Ich weiß ja nicht, ob ich dafür alle Kräfte habe, vor allem auch den zähen Willen. Aber dahin geht mir alles.
Die Gegensatzlehre wächst langsam herauf.*752 Josef, wäret ihr doch da! Ich meine, darin steckt unser aller Wollen. Ihr alle, Karl und andere, habt ja daran mitgewirkt. Unser Verlangen nach Fülle, nach Freiheit und nach wesensgemäßer Ordnung hat sie geschaffen. Und sie sollte die Einsichten zusammenfassen von Priestern, Lehrern, Künstlern, Juristen, Mannes- und Fraueneinsicht ? Ich weiß nicht, ob viele Bücher so langsam und selbstverständlich, so von selbst heraufgewachsen sind, wie dieses. 1904/5 in München begann's zu keimen; dann in Tübingen wuchs es in Halm, dann - ja, jetzt gehts nicht mehr mit dem Bild - die lange Zeit steten Versuchens, Erprobens, bis mir die Gedanken zur lebendigen Haltung alles Seins und Denkens geworden. Und nun, in Berlin, in einer Vorlesung, soll es endgültig gestaltet werden. Denn so, in Form von »Vorlesungen«, will ich es herausgeben.
- Nun hätte ich eine Bitte: Könntest Du mir einige von den Büchern schicken? U. zw. 1) Oldenberg 2) Dante 3) Hölderlin.*753 (solltest Du letzteren gern noch behalten, dann tue es.) Und dann, wenns geht, auch
751 Guardinis Plan einer »Akademie« im Geiste Platons wurde immer wieder auch für Burg Rothenfels durchdacht; letztlich verwirklichte sich dieser Gedanke annähernd in der Gründung der »Katholischen Akademie in Bayern« in München am 1.2.1957, obwohl Guardini ihr dann auch kritisch gegenüberstand. Zur Eröffnung hielt er die Rede »Die Kultur als Werk und Gefährdung« (M 1146). Vgl. GF 387f.
752 Der folgende Absatz bezieht sich auf das jahrelange Reifen von Guardinis Methodologie, die auch dem erwähnten Kolleg zugrundelag. Vgl. zum ursprünglichen Plan Br. 1, worin auch der Beitrag von Josephine Schleußner (»Fraueneinsicht«) sichtbar wird. Die frühe Fassung von 1914 Gegensatz und Gegensätze, Freiburg (Caritas) (M 5), wird 1925 abgelöst durch die endgültige Fassung: Der Gegensatz. Versuche zu einer Philosophie des Lebendig-Konkreten, Mainz (Grünewald) (M 179).
753 Hermann Oldenberg (31.10.1854, Hamburg, bis 18.3.1920, Göttingen), berühmter Indologe in Berlin, Kiel und Göttingen, verfaßte viele Schriften. Guardini könnte sich bezogen haben auf: Buddha. Sein Leben, seine Lehre, seine Gemeinde, Berlin 1881, Stuttgart 1923, 10.-12. Aufl.; Die Literatur des alten Indien, Stuttgart/Berlin 1903; 1923 2.-3. Aufl., Die Lehre der Upanishaden und die Anfänge des Buddhismus, Göttingen 1915; 1923 2. Aufl.; Buddha. Reden, Lehre, Verse, Erzählungen. Hg. aus dem Nachlaß von Kurt Wolff, München 1920. Die Lektüre von Oldenberg belegt die früheste Beschäftigung Guardinis mit Buddha. Im Pfarrhaus Mooshausen hat sich erhalten eine sehr alte »Bildkarte der Staatlichen Museen zu Berlin, Völkerkunde-Museum: Buddha als Asket«.
Dantes Göttliche Komödie regte Guardini ein Leben lang zu Deutungen an; vgl. 28 (!) Dante-Titel bei M.
Friedrich Hölderlin: erster Hinweis auf die Lektüre des Dichters, über den Guardini auch 11 (!) Arbeiten vorlegte, darunter die Monographie: Hölderlin. Weltbild und Frömmigkeit, Leipzig (Hegner) 1939 (M 533).


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