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Der Mensch im Licht der Offenbarung

Ich habe den Auftrag übernommen, etwas über das Bild des Menschen zu sagen, wie es uns aus der Offenbarung entgegentritt.
An den Anfang dieser Überlegungen möchte ich eine Frage stellen, die Sie vielleicht überrascht, sich mir aber immer wieder aufdrängt: ob es nämlich überhaupt ein "Bild" des Menschen gebe, wenn man darunter nicht nur die Vorstellung einer geschichtlichen Epoche, oder einer gesellschaftlichen Gruppe, oder eines bestimmten Berufes versteht, sondern die vom Menschen selbst und an sich.
Es scheint, daß es ein solches Bild nicht gibt, denn die entscheidende Bestimmung des Menschen - wir werden darüber noch genauer zu reden haben - ist die, daß er "Ebenbild Gottes" ist. Von Gott aber gibt es kein "Bild".
Man spricht zwar immer wieder vom "Gottesbild", und sagt damit sicher Richtiges; das gilt aber doch nur, wenn damit besondere Umstände gemeint sind, unter denen Er deutlich oder gedacht wird. Etwa wenn wir von der Vorstellung sprechen, die das frühe Christentum sich von Gott machte, im Unterschied zu der des hohen Mittelalters, und wieder jener des achtzehnten Jahrhunderts. Von Gott selbst aber gibt es kein Bild, denn Er übersteigt jede Möglichkeit eines solchen. Und es wäre wohl gut, das erste Gebot, welches verbietet, sich von Ihm "ein geschnitztes Bild" zu machen, auch hierfür zu bedenken. Denn nicht nur ein Bild der Kunst, sondern auch eines der Gedanken kann Seine souveräne Größe einschränken, oder gar sie irgend einer intellektuellen oder künstlerischen oder politischen Absicht dienstbar machen.

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