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Zwischen zwei Büchern Zur Einführung Im Jahre 1922, an der Schwelle meiner akademischen Tätigkeit, ist die Schrift »Vom Sinn der Kirche« erschienen. Es ist mir, als schließe sich ein geistiger Ring, wenn ich jetzt, unmittelbar nach meinem achtzigsten Geburtstag, diese zweite Schrift über die Kirche vorlegen darf. Zwischen dem Erscheinen der beiden Bücher liegt eine Geschichte. Um ihr besser gerecht zu werden, muß ich aber noch weiter zurückgehen, in die Zeit meines theologischen Studiums in Tübingen, vom Herbst 1906 bis zum Frühjahr 1908. (Ich bin mir bewußt, daß es unbescheiden klingen kann, in sachlichen Ausführungen Persönliches zur Sprache zu bringen; da ich aber glaube, das Sachliche werde in solcher Verflechtung mit dem Persönlichen besser zum Ausdruck kommen, hoffe ich auf das Einverständnis des Lesers.) Damals also ist mir zum ersten Mal klar geworden, was »Kirche« ist, und zwei Gedankengänge, denen die Zeit seither nichts von ihrer Bedeutung nehmen konnte, haben mir jene Einsicht immer deutlicher gemacht. Der erste ging so: Die Kirche ist ein Gebilde, das alle Gebiete des Daseins durchgreift und bis in die innerste Tiefe des Menschlichen wirkt. Sie stellt die naturhafte Sicherheit des Menschen in Frage und mutet seiner Vernunft wie seinem Willen Schweres zu. Dieses Gebilde ist vor fast zweitausend Jahren in die Geschichte getreten; ist von allen Konflikten dieser Geschichte erschüttert worden, und jede menschliche Fragwürdigkeit hat sich in ihm ausgewirkt. Nicht nur das. Die Kirche hat mit unbeirrbarer Konsequenz eine alle Denkbarkeit übersteigende Gottesverkündung, wie die Lehre vom Dreieinigen Gott, herausgearbeitet und durch mehr als siebzehn | ||
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