Romano Guardini Online Konkordanz
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Das Unendlich-Absolute und das
Religiös-Christliche

I.
Sie haben im Rahmen dieser Vortragsreihe *1 etwas darüber zu hören gewünscht, was das Problem des Unendlichen für die Theologie bedeute. Wir waren übereingekommen, es solle sich dabei um wirkliche Theologie handeln. Also weder um Philosophie noch um private religiöse Erlebnisse; vielmehr um die Bedeutung des genannten Problems für jenes Denken, das mit dem Faktum der Offenbarung ernst macht.
In diesem Sinne werde ich also auf die Frage zu antworten suchen. Vorher müssen wir aber einige Klärungen vornehmen. Vor allem eine terminologische. Das Wort "unendlich" wird in verschiedenem Sinn gebraucht. Etwa spricht man von einer unendlichen Reihe und meint damit, daß eine gegebene Anfangsgröße immer weiter vermehrt oder, einen bestimmten Modus vorausgesetzt, vermindert werden könnte. Dann meint das Wort, es sei unmöglich, dem Fortgang der Operation eine absolute Grenze zu setzen. Innerhalb dieses Fortgangs bleibt aber jede einzelne Größe begrenzt, das heißt endlich.
Im gleichen Sinne braucht man den Ausdruck "unendlich" gegenüber dem Zusammenhang des Raumes, der Zeit, der Verursachungskette usf. Jedesmal meint er die eigentümliche Antinomie, angesichts eines Kontinuums sowohl die Begrenztheit jeder bestimmbaren Stelle wie auch die Unbegrenztheit des möglichen Fortgangs aussagen zu müssen.
Das ist die unechte Unendlichkeit. Ihr Begriff ist geeignet, den der echten zu verschleiern. Letztere meint nämlich eine
*1 Ein Arbeitskreis von Mathematikern hatte Vertreter verschiedener Fachwissenschaften eingeladen, etwas über die Bedeutung zu sagen, die der Begriff des Unendlichen in ihrem Arbeitsbereich habe.

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