Romano Guardini Online Konkordanz
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Das religiöse Bild und der unsichtbare Gott
[Die Sinne und die religiöse Erkenntnis, 3. Aufsatz]
[1956]

1.
Bevor man über die theologischen Grundlagen der christlichen Kunst spricht, tut man gut, sich die Warnungszeichen zu vergegenwärtigen, die aus der Offenbarung selbst und dann aus der christlichen Geschichte kommen.
Da ist vor allem die gewaltige Gebärde der Abwehr, die sich im Alten Testament erhebt. Das erste der Zehn Gebote sagt: „Ich bin der Herr, dein Gott ... du sollst keine fremden Götter neben Mir haben. Du sollst dir kein [Gottes-]Bild verfertigen; kein Abbild von dem, was im Himmel droben und auf der Erde drunten, oder im Wasser unter der Erde ist. Du sollst dich vor ihnen nicht niederwerfen und ihnen nicht dienen“ (Dtn 5,6–9). Von Gott darf also kein Bild gemacht, von keinem Ding der Schöpfung darf die Hilfsvorstellung dazu genommen werden; das aber, um dem Bild zu „dienen“, Ihm göttliche Ehre zu erweisen. Das Gebot ist denn auch befolgt worden. Weder im Bundeszelt noch im Tempel stand ein Gottesbild. Das Allerheiligste war, bis auf die Bundeslade mit ihrem unmittelbaren Zubehör, ganz leer.
In enger Beziehung zum ersten Gebot steht das zweite, welches sagt: „Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht ungemäß brauchen, denn nicht läßt der Herr den ungestraft, der Seinen Namen mißbraucht.“ (Dtn 5,11) Auch dieses Gebot ist durchgeführt worden, so streng, daß der Gottesname, der auf dem Berge Horeb geoffenbart wurde – „Jahwe“, in Übersetzung: „Der Ich-bin“ – überhaupt nicht gebraucht, vielmehr an seiner Stelle Umschreibungen verwendet wurden.

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