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Vom Denken und Leiden des heiligen Augustinus
Zur 1600. Wiederkehr seines Geburtstages

Wir feiern das Gedächtnis jenes Mannes, von dem man wohl, ohne Anderen Unrecht zu tun, sagen darf, er sei der größte unter den alten Lehrern der Kirche: des heiligen Aurelius Augustinus. Er wurde vor sechzehnhundert Jahren geboren; seine Wirkung aber geht durch die ganze Geschichte des christlichen Denkens, heute noch lebendig wie je. Diese Wirkung ist um so bedeutungsvoller, als die Gedanken Augustins niemals autoritativ als Norm aufgestellt worden sind. Vielmehr geht sie immer neu aus der Ursprünglichkeit seines Denkens, aus der Frömmigkeit seines Herzens, aus der Ergriffenheit seines Wesens hervor.
Wie erscheint dieser Mann im Bewußtsein derer, die Näheres von ihm wissen? Wir werden sehen, daß es fruchtbar ist, die Frage zu stellen.
Das erste, was der Begegnende in Augustinus empfindet, ist die Kraft seiner Persönlichkeit. Aber das Wort "Kraft" genügt nicht; unwillkürlich drängt sich ein anderes auf, nämlich das der Leidenschaft: der Sinne, des Geistes, der Frömmigkeit.
Er stand mitten in den geistig-religiösen Auseinandersetzungen seiner Zeit. Als Kind war er nicht getauft worden. Kein Christ im genauen Sinne, hatte er bis in sein Mannesalter überhaupt keine feste religiöse Überzeugung; das Buch seiner Bekenntnisse sagt uns aber, wie ruhelos er nach der Wahrheit gesucht hat. Auch ein mächtiger Ehrgeiz war in ihm; so bildete er sich in den Wissenschaften der Zeit, bis er Lehrer der Rhetorik - wir würden sagen, Professor der Geisteswissenschaften und zugleich der praktischen Betätigung im öffentlichen Leben wurde. Zuerst lehrt er in seiner Heimatstadt Thagaste, dann in Karthago. Dort wird es ihm zu eng; er verläßt die Provinz und

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