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Askese als Element der menschlichen Existenz [1956] Vorbemerkung Heute in ernsthafter Weise von Askese zu sprechen, ist nicht leicht, denn der Begriff gehört zu jenen, welche die Neuzeit, besonders das neunzehnte Jahrhundert, verdorben haben. Der aufgeklärte Bourgeois empfand darin schaudernd christliche Lebensfeindschaft und war überzeugt, helle Weltfreudigkeit und entschiedener Fortschrittswille seien damit fertig geworden. Was diese Ablehnung aber in Wahrheit ausdrückt, war die Scheu vor jeder absoluten Stellungnahme, die ja ohne weiteres fordernd und scheidend in das Spiel der Lebensantriebe eingreift. Man braucht aber nur in den inneren Zustand unserer Zeit zu blicken, in den Mangel an Halt und Charakter, wie er überall deutlich wird – auch da, wo er sich durch die Schein-Entschiedenheit des Parteigehorsams verdeckt – um zu sehen, welche Konsequenzen sich daraus ergeben haben. So müssen wir zuerst tun, was das redliche Denken heute mit so vielen unentbehrlichen Begriffen tun muß: ihn reinigen. Was ist also Askese? Abgrenzung und Wesensbestimmung I. Vorher aber, und zur Klärung, eine andere Frage: Was ist Askese ihrem echten Sinne nach nicht? Das Phänomen hat im Laufe der Geschichte viele Abwandlungen erfahren. Wir greifen aus ihnen einige besonders charakteristische heraus. | ||
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