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Treue Wenn das Folgende von der Treue handeln soll, dann gehört es gleich zum Gegenstand unserer Überlegung, daß wir uns den Ton zu Bewußtsein bringen, den das Wort heute hat. Wir scheuen uns nämlich, es zu gebrauchen. Wie so manches andere Wort für sittliche Werte klingt uns auch dieses heute nicht mehr ganz echt; zu groß, zu pathetisch und, der verwirrten Wirklichkeit unseres Lebens gegenüber, zu einfach. Vielerlei hat zusammengewirkt, daß es dahin kam: dichterischer Schwulst, offizielle Rhetorik, Unredlichkeit von Politikern und Zeitungsschreibern. Auch die Tatsache, daß durch furchtbare Jahre hindurch eine Unbedingtheit des Dazugehörens, eine Bereitschaft zu jeder Aufopferung gefordert worden ist, die keine irdische Sache fordern darf, und daß zugleich von den gleichen Leuten, die das taten, in einer Weise Verrat geübt worden ist, vor der einem grauen kann. Trotzdem bleibt es wahr, daß auf der Treue unser Leben ruht. So tun wir gut, sorgfältig über das nachzudenken, was das verschlissene Wort meint. Vor allem wollen wir uns klar machen, daß es zweierlei Arten des Verhaltens gibt, auf die es angewandt wird. Die eine ist psychologische Veranlagung. In ihr vollziehen die seelischen Vorgänge sich langsam, haben aber dafür inneren Tiefgang. Die Gefühle sind stark. Sie flammen nicht rasch und heftig auf, um bald wieder zu verlöschen, sondern halten an und schaffen bleibende Gestimmtheiten. Die Entschlüsse brauchen Zeit, sich zu bilden, dauern aber als innere Richtung fort und wirken zuverlässig ins Tun. Wenn ein so Veranlagter einem Menschen seine Zuneigung gibt, oder sich für seine Sache entscheidet, dann ist das eine feste, vielerlei Wandel | ||
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