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Das Dantebild
der "Göttlichen Komödie"

Vorbemerkung
Die "Göttliche Komödie" enthält Dantes Stellungnahme zum Dasein. In ihr vollzieht er seine Kritik am Leben der Zeit und richtet die Ordnungen auf, die er für gültig ansieht. Das veranlaßt zur Frage, wie er selbst in seinem Werk stehe? Nur als Typus, wie Parzival im Epos Wolframs, oder als individuelle Persönlichkeit?
Das Letztere ist der Fall. Die seelisch-personale Einheit des gewaltigen Werkes liegt darin, daß sein Inhalt nicht nur objektiv geschildert, sondern konkret erlebt vor Augen tritt. Er entfaltet sich im Fortgang einer Wanderung; der Wanderer aber ist der Dichter selbst. Indem er von Menschen und Dingen spricht, zeichnet er das Bild seiner eigenen Menschlichkeit. Meistens geschieht es ohne besondere Absicht, im unmittelbaren Spiegel des Erlebens; manchmal bewußt, gegen Verkennung und feindliches Schicksal; hin und wieder so, daß er, ohne es zu wissen, sich selbst verrät.
Dieser Vortrag möchte einige Züge in dem so entstehenden Bild zeichnen. Also nicht sagen, wie Dante wirklich war, sondern wie er sich in der Commedia gesehen hat - wobei dahingestellt sei, wieweit es die Wirklichkeit, oder aber das Ideal seiner Persönlichkeit ist, was da hervortritt.
Zunächst läge es nahe, das Bild aus jenen, mit Nikolai Hartmann zu sprechen, ungemeinen Werten aufzubauen, die für Dante maßgebend waren - etwa aus der Gesinnung des Minnedienstes, wie sie in der italienischen Stadtkultur ihre besondere Form gewann. Dann würde die Gestalt des heroischen Dichters entstehen, wie ihn die Büste von Neapel zeigt; der Großgesinnte, der erfährt, was Schicksal heißt und es in bitterem "amor fati" auf sich nimmt; von unbeugsamem Ehrgefühl

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