Romano Guardini Online Konkordanz
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Geleitwort
[Heinz Robert Schlette (Hrsg.): Alter Gott, höre!. Gebete der Welt]
[1961]

Der christliche Glaube sieht sich heute nicht nur der Skepsis der westlichen Kultur, sondern dem östlichen politisch formierten Atheismus gegenübergestellt. So lange letzterer ein Moment religiöser Auseinandersetzung war, in ihm eine persönliche Anschauung oder eine Schwierigkeit zum Ausdruck kam, sich in die Tradition des Glaubens hineinzufinden, war er eine Sache des Gewissens und forderte Ehrfurcht; der Atheismus, der jetzt als politischer Faktor heraufkommt, ist Gewalt. Jener war ein Gegner im geistigen Kampf; dieser ist ein Feind, dessen Angriff zugleich mit dem Gottesglauben auch Unabsehliches von dem zu zerstören droht, was unserer Geisteswelt wesentlich ist.
Und nun geschieht etwas Eigentümliches. Nicht nur die christlichen Bekenntnisse, nicht nur Christentum und Judentum, biblischer Glaube und Islam, auch Christentum und echtes, aus Geschichte und Erfahrung wachsendes Heidentum sehen einander mit neuen Augen an. Unter allen Unterschieden hin fühlen sie sich durch etwas verbunden, das ihnen bisher nicht als verbindend zu Bewußtsein gekommen war: durch die Gläubigkeit im allgemeinsten Sinne, als Haltung des Menschen, der von Gott und Göttlichem weiß – durch das, was die Kirchenväter den „Logos spermatikos“, die keimhaft in allen Formen des menschlichen Daseins wirkende ewige Wahrheitsmacht nannten.
So war es ein Gedanke, der echt aus dem Geist der Stunde entsprang, nach Zeugnissen solcher Gläubigkeit durch die verschiedenen Zeiten und Bereiche religiöser Erfahrung hin zu suchen. Und zwar nach solchen Zeugnissen, in denen das Herz

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