Romano Guardini Online Konkordanz
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Warum so viele Bücher?
Rechenschaft über die eigene Schriftstellerei,
am siebzigsten Geburtstag und vor Freunden

An einem Tage wie diesem dringen so viele Erinnerungen zu, daß man gut tut, ihnen nicht einfach ihren Willen zu lassen, weil man sich sonst in ihnen verirrt. Neulich ist mir aber etwas Merkwürdiges passiert; das gibt mir eine Art Leitfaden an die Hand. Ich war am Odeonsplatz und hätte notwendig ein Taxi gebraucht. Plötzlich steht da einer, nein, ein Privatwagen. Der Mann am Steuer steigt aus und sagt: »Wollen Sie nicht Platz nehmen?« Ich kenne ihn nicht und frage: »Ja, wie? Wieso sind Sie hier und laden mich ein?« Darauf er: »Sie wissen doch, der unsichtbare Fahrplan!« Ich bin eingestiegen, wurde hingebracht, wohin ich wollte. Dann habe ich gedankt, bin meiner Wege gegangen, und mir ist nicht einmal eingefallen, um seinen Namen zu bitten ...
»Der unsichtbare Fahrplan« ... Ein Wort, um sich zu versinnen, nicht wahr? Einen solchen wird es wohl geben, und auch einen unsichtbaren Schreiber, der alles aufzeichnet, was im Leben geschieht, und einmal werden wir zu hören bekommen, was auf dem Band steht. All die Begebnisse ... und alle in ihrer Ordnung ... und über allem das Auge und das Urteil Gottes ...
In diesen Tagen sind mir allerhand Gedanken durch den Kopf gegangen. So habe ich mir vorgenommen, Ihnen heute eine kleine Rechenschaft abzulegen. Eine Antwort auf eine Frage zu geben, die Sie vielleicht empfinden. Dann kommt wohl das Eine oder Andere ins Klare, was Ihnen an meiner Arbeit unverständlich ist. Sie haben ja auch ein Recht darauf.
Einer könnte mich nämlich fragen: »Warum schreibst Du eigentlich so viel?« Er hätte Veranlassung dazu, denn ich habe

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