Romano Guardini Online Konkordanz
Treffernummer:

 < Seite 70> 


Dinge behandelt, behutsam und auch wieder mit einer leisen Geringschätzung als gegen ein nicht mehr Lebendiges.
Unsere Zeit ist anders. Und nicht nur anders in der Weise, wie etwa die Renaissance gegenüber dem Mittelalter anders war. Der Unterschied geht außer allem Vergleich tiefer. Mir ist manchmal, als liege die Wasserscheide der Zeiten um 1830 bis 1870. Alles Frühere, mögen die Unterschiede noch so groß sein, gehört doch irgendwie zusammen. Es ist getragen von einer gleichen, menschlichen Grundhaltung; gebunden durch das nämliche, menschliche Maß; eingeordnet in die ihren Maßstab bewahrende Natur. Was nachher kommt, scheint durch grundandere Haltung bestimmt: Durch den Willen zu selbstherrlicher Zwecksetzung, unabhängig von allen organischen Bindungen, auf der Grundlage der rational aufgebrochenen und maschinell dem zwecksetzenden Willen dienstbar gemachten Kräfte.


9. Brief

Lieber Freund!
Die Post ist lange ausgeblieben. Ich hatte Dir noch drei oder vier Briefe zugedacht, aber sie haben mir nicht aus der Feder gewollt.
Ich bin in Deutschland, und es hat seinen guten Sinn, daß ich hier abzurechnen suche. Fast zwei Jahre sind nun her, seit ich Dir den ersten Brief vom Comer See schrieb, damals, als mir die Frage, die ich schon lange gespürt, wie mit Händen zu greifen entgegentrat. Ich glaube, ihrer Herr geworden zu sein - soweit man Herr über Fragen werden kann, die aus dem Lebendigen kommen. Aber vielleicht sage ich besser: Ich habe ihr gegenüber

 < Seite 70>