Romano Guardini Online Konkordanz
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Zweite Meditation
Von Gott freigegeben

I.
In der voraufgehenden Meditation haben wir über Gottes Schöpferschaft nachgedacht. Wir haben etwas vom Inhalt des Satzes zu verstehen gesucht, mit welchem die Heilige Schrift beginnt: "Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde" - der großen Wahrheit, daß wir von Ihm geschaffen sind. Und nicht "wir" im Allgemeinen, sondern jeder Mensch, jeweils ich.
Dieser Schritt aus der urpersönlich-allgemeinen Aussage in die auf das eigene Selbst bezogene muß bei jeder Glaubenswahrheit getan werden. Das bedeutet nicht, daß die erste falsch wäre, sondern daß sie sich noch im Theoretischen hält. Ihr Ernst ist ein wissenschaftlich-sachlicher; den der persönlichen Beteiligung gewinnt sie erst durch den genannten Schritt.
Das hat mit irgendwelchem Subjektivismus nichts zu tun. Subjektiv ist eine Aussage, wenn sie behauptet, sie gelte immer nur für die jeweiligen Einzelnen; eine allgemein gültige Wahrheit gebe es nicht. Was hingegen oben dargelegt wurde, meint jenen Ernst, der aus der Unvertretbarkeit und Unersetzbarkeit jeder Person hervorgeht. Es ist auch kein Individualismus. Ein solcher läge vor, wenn der Einzelne sagte: Ich bestehe für mich, und die anderen gehen mich nichts an. Was wir hingegen meinen, ist das gleiche, was ein Augustinus meint, wenn er in seinen "Selbstgesprächen" sagt: "Gott will ich erkennen und meine Seele"; und auf die Frage, die er sich selbst stellt: "sonst nichts mehr?" antwortet: "Nichts und gar nichts". Damit hat er von dem, was er, der große Lehrer des mystischen Leibes Christi, über die Gemeinschaft der Erlösten sagt, nichts ausgestrichen. Im Gegenteil, befragt, würde er wohl antworten: Die Gemeinschaft der Erlösten ist eben jene, in welcher sich jeder Einzelne Gott gegenüber befindet. Erst aus dem Ernst jenes Gegenüber erhebt sich

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