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Europa - Wirklichkeit und Aufgabe

Rede nach der Verleihung des »Praemium Erasmianum« zu Brüssel am 28. April 1962


Ew. Königliche Hoheit! Meine Damen und Herren!

Die Verleihung des Erasmus-Preises bedeutet für mich eine hohe und aufs lebhafteste empfundene Ehre - darüber hinaus eine Bestätigung besonderer Art, über die ich gleich noch Genaueres sagen möchte.
Vor allem bitte ich aber Ew. Königliche Hoheit als den Regenten der Stiftung des »Praemium Erasmianum«, sowie auch dessen Kuratorium, meinen angelegentlichsten Dank entgegennehmen zu wollen.
Die empfangene Ehre wird für mich die Verpflichtung bedeuten, meine Bemühungen um das Werden eines lebendigen europäischen Bewußtseins fortzusetzen.

Über den Europa-Gedanken etwas Hörenswertes zu sagen, ist, nachdem so viel des Bedeutsamen in Wort und Schrift gesagt wurde, nicht leicht. Erlauben Sie mir, von eigener Erfahrung auszugehen. Wenn man alt ist, darf man das wohl, falls man sich bemüht, nicht pedantisch zu werden ...
Meine Eltern waren Italiener und leidenschaftliche Patrioten. Eine wirtschaftliche Unternehmung führte meinen Vater nach Deutschland; aber auch dort suchte er für sein Land zu wirken, indem er die ihm übertragenen konsularischen Aufgaben mit einer Anteilnahme erfüllte, die über das Pflichtgemäße weit hinausging. Ich selbst stand, als wir nach Deutschland kamen, im ersten Kindesalter. Zu Hause wurde italienisch gesprochen; die Sprache der Schule und der geistigen Bildung aber war das Deutsche. Dieses gewann, wie es nicht

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