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Gang nach La Salette [1963] In seinem 1898 erschienenen Buche, das den Titel „La Cathédrale“ trägt, von großem Ernst durchweht und in einer oft schwer geballten Sprache geschrieben, erzählt Joris Karel Huysmans vom religiösen Schicksal eines Mannes, den er Durtal nennt – von einem späten Abschnitt dieses Schicksals, in welchem sich tiefe Entmutigungen, aber auch stärkende innere Erhebungen ereignen. Dieses Schicksal verflicht Huysmans mit der Gestalt jenes Bauwerks, das für ihn die Kathedrale einfachhin war: „Notre Dame von Chartres“. Er ist nicht der Einzige, der geschildert hat, wie ein Menschenschicksal sich mit dem eines mittelalterlichen Domes verbinden kann; ich erinnere etwa an den Roman von Hugh Walpole „The Cathedral“, oder an Elisabeth Goudges „The City of Bells“, und noch andere wären zu nennen. Diese aber sind entweder aus bloß ästhetischen Voraussetzungen, oder aus lyrisch-individualistischer Religiosität entstanden – sofern sich nicht in ihnen an dem geheimnisvollen Bau dunkle Kräfte entfesseln. Die Menschen dieser Bücher haben keine echte Beziehung zu dem inbrünstigen und mächtigen Glauben, der die Kathedralen gebaut hat. Für Huysmans sind sie – bei lebendigem Bewußtsein auch ihres Charakters als Kunstwerke – vor allem Offenbarung göttlichen Geheimnisses. „Notre Dame von Chartres“ erscheint als die geheimnisvolle Wohnung Marias, der Mutter des Erlösers und Fürsprecherin für alles menschliche Leid. Aber nicht vom Buche selbst soll hier die Rede sein, sondern von einem Begebnis, dessen Durtal sich erinnert, wie er in dunkler Morgenfrühe in seine Kathedrale eingetreten ist, und ihm die Gedanken zu einer Wallfahrt zurückgehen, die er einst nach La Salette gemacht hat. Die Visionen, in denen dort Maria den Hirtenkindern Maximin und Mélanie erschien, und durch die sie an die Welt einen Ruf zur Buße ergehen ließ, haben sich im | ||
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