Romano Guardini Online Konkordanz
Treffernummer:

 < Seite 396> 


209.
Brief vom 22.12.1955, München.
München 22.12.55
Lieber Josef
ich denke, Du hast unterdes mein Päckchen erhalten. Es enthält Geist und blauen Dunst*1184, beides hoffentlich nach Deinem Geschmack.
Und nun laß Dir dazu noch viele gute Wünsche sagen, nach allen Richtungen unseres so vielbedingten Lebens hin - das wahrscheinlich ebendeshalb eine so komplizierte Angelegenheit ist.
Wie mir Maria sagte, ist ein sehr wichtiger Wunsch ja nun in Erfüllung gegangen. Du hast wieder einen guten spiritus domesticus.*1185 Möge er lang bleiben!
Ich habe es in den letzten Monaten - seit Anfang September - nicht ganz leicht gehabt. Es handelt sich offenbar um eine richtige Trigeminus= Affektion*1186; und jeder Arzt, dem man das sagt, verzieht das Gesicht. Ich habe es auch oft getan, und weiß nicht, wie oft ich es noch werde zu tun haben. Aber da kann man nichts machen. (Man kann, wie es scheint, wirklich nicht viel »machen«, und ist auf »die Natur« angewiesen, von der ich keine sehr hohe Meinung habe.)
Nochmals schöne, friedliche Weihnachten, lieber Josef. Einen Neujahrswunsch sage ich nicht, weil mir die ganze Neujahrsbegeherei immer mehr als etwas ganz Dummes vorkommt. Advent ist Neues Jahr. Das andere ist Arithmetik, 1955+1=1956. Oder nicht?
Möge uns also Gott unsere Jahre zumessen. »In manibus eius tempora nostra.« *1187
Romano.


1184 In der Bibliothek Mooshausen befindet sich das Widmungsexemplar: Martin Noth, Geschichte Israels. 2. verbesserte Aufl., Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 1954, mit hs. Widmung: Weihnachten 1955. R. - »Blauer Dunst« sind Zigarren. Weiger - aber auch Guardini - rauchte gerne ab und zu eine Zigarre.
1185 Der »Hausgeist«: eine neue Haushälterin.
1186 Guardini litt seit September 1955 unter einer sehr schmerzhaften Trigeminus-Neuralgie; mehrere Operationen führten zu keiner Besserung.
1187 Ps 31,16: »Unsere Zeit steht in Deinen Händen.«

 < Seite 396>