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Vom Altwerden Eine Rundfunkansprache I. Ich soll über jene Lebensphase sprechen, die man das Alter nennt. Das könnte vom Physiologischen her geschehen, so, wie es die Medizin tut; oder vom Praktisch-Sozialen her, wie es jene tun, die sich fragen, auf welche Weise der alte Mensch am besten ins Leben der Gesellschaft einzuordnen sei - und wie immer noch. Wir wollen die Frage philosophisch stellen, nämlich dahin, ob das Alter nur eben der Schluß des Lebens sei, nach dem nichts mehr kommt, oder ob es einen eigenen Sinn habe; vielleicht sogar einen sehr guten und tiefen; und es daher wichtig sein müßte, ihn zu verstehen und sich um seine Verwirklichung zu bemühen. Nun kann natürlich über das Alter nur reden, wer etwas davon weiß; wirklich etwas davon wissen aber kann nur jener, der selbst darin steht. Sonst spricht er aus der Geisteshaltung des Jüngeren, und für den ist das Alter zunächst durchaus nichts Ehrwürdiges, wie ein harmloser Idealismus vorgibt. Mindestens weckt es in ihm Empfindungen der Überlegenheit und Nichtachtung. Oft fühlt er sich durch den Autoritätsanspruch des alten Menschen gereizt. Und vergessen wir endlich nicht die geheime Feindschaft, welche das aufsteigende Leben dem sinkenden entgegenbringt. Wir brauchen nur an die Sitten mancher primitiver Völker zu denken, um zu sehen, mit welcher Unbarmherzigkeit sich diese Feindschaft Geltung verschafft hat. Aber es bedarf nicht einmal eines Rückblicks in solche Ferne. Hat nicht in den kaum vergangenen braunen Jahren weithin der unmenschliche Maßstab des lebenswerten beziehungsweise lebensunwerten Lebens gegolten? Und von ihm her die Meinung, wertvoll sei nur das junge Leben; der alte Mensch hingegen entmutige und beirre es? | ||
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