Romano Guardini Online Konkordanz
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Der Kultakt und die gegenwärtige Aufgabe der Liturgischen Bildung

Ein Brief *1
Lieber Freund, ich hätte sehr gewünscht, am 3. Liturgischen Kongreß in Mainz teilnehmen zu können. Bei der Gelegenheit hätte ich auch gern auf etwas hingewiesen, was mir wichtig erscheint.
Das ist nun leider nicht möglich; so muß ich mich damit begnügen, meinen Gedanken in einem Brief an Dich auszusprechen, und hoffe, er wird seinen Weg weiterfinden. Die liturgische Arbeit, das wissen wir alle, steht an einem wichtigen Punkt. Den Grund zum Künftigen hat das Konzil gelegt - und wie dieses zustande gekommen ist und Wahrheit kundgetan hat, wird für immer ein Schulbeispiel für das Wirken des Heiligen Geistes in der Kirche bleiben. Nun aber stellt sich die Frage, wo die Arbeit ansetzen müsse, damit die erkannte Wahrheit zur Wirklichkeit werde.
Natürlich wird eine Fülle von rituellen und textlichen Fragen dringlich - und wieviel da richtig und auch falsch gemacht werden kann, sagen viele Erfahrungen. Worum es aber vor allem geht, scheint mir etwas anderes zu sein, nämlich die Frage des Kult-Aktes - genauer gesagt, des liturgischen Aktes.
Wenn ich recht sehe, war der typische Mensch des neunzehnten Jahrhunderts zu diesem Akt nicht mehr fähig, ja er hat von ihm nichts mehr gewußt. Für ihn war religiöses Verhalten einfachhin das individuell-innerliche - was dann als "Liturgie" noch den Charakter offiziell-öffentlicher Feierlichkeit annahm. Damit aber war der Sinn der liturgischen Handlung verloren,
*1 Der Brief wurde anläßlich des 3. Liturgischen Kongresses 1964 in Mainz geschrieben. Für den Abdruck wurde der ursprüngliche Wortlaut in manchem etwas genauer gefaßt bzw. entwickelt.

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