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Heute ist meine Ansprache in St. Ludwig auf Band genommen worden – ohne Zweck; nur um sie zu haben. Münster war so freundlich, das anzubieten. Ich habe mich durch das Mikrophon daher in keiner Weise behindert gefühlt. Merkwürdiger Gedanke, daß nun diese Ansprache, die ganz spontan war, im Archiv des Rundfunks liegt! Man hat die »Bezwingung« des Himalayagipfels als »Geschenk« der Königin von England dargebracht. Was hätte ein Goethe dazu gesagt? Oder ein Aischylos? Daß nun auch der »Thron der Götter« entweiht ist? Eine Sache der Technik und ein Objekt der Vermessung? Gibt es noch Unbetretenes? Unbetretbares? Grundsätzlich? Vom Gefühl der Verwehrtheit geschützt? »Der Tod in Venedig« – der ganze Band »Erzählungen« von Thomas Mann – immer die gleiche, trostlose, zerstörte Welt. Aber ich verstehe darin jeden Satz. Dienstag, 9.6.53 Gestern abend den reizenden Film »Antoine et Antoinette« gesehen. Genau das, was man im richtigen Kino sucht. Besonders charmant ist das Lächeln, mit dem die junge Antoinette ihren Mann ansieht. Lieb und überlegen zugleich. Was bedeutet aber diese Überlegenheit – mit der jede rechte Frau den Mann ansieht? Ist nicht ein gut Stück davon die radikale Fremdheit zwischen den Geschlechtern? Die Welt der Lagerlöf ist voll Zauber. Man geht immer wieder gern in sie zurück. Ich fürchte aber, darin ist weder das Heidnische richtig noch das Christliche, sondern es ist ein Gemenge. Ich glaube, es wäre gut, jeder Geistliche würde sich einmal gründlich darüber klar, wie der Antiklerikalismus entsteht. Die elementare Auflehnung gegen Atmosphäre und Wirksamkeit des etablierten, kompakten geistlichen Standes – selbst des guten! Er würde viel vermeiden können. | ||
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