Romano Guardini Online Konkordanz
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Geschichtliche Tat und kultischer Vorgang



I.

Der nahe "Eucharistische Kongreß" *1 regt mancherlei Fragen an, besonders natürlich bei solchen, die den Überzeugungen, auf denen er ruht, fern stehen. Einer von diesen Fragen soll mein Vortrag genauer nachgehen. Die Bemühungen des Kongresses gelten dem religiösen Kerngeschehen der Kirche, der Eucharistiefeier, von der Umgangssprache "hl. Messe" genannt: Wo ist diese in der Heiligen Schrift begründet? Auf welches darin berichtete Ereignis geht sie zurück?

Alle vier Evangelien erzählen, wie die maßgebenden Vertreter des jüdischen Volkes die Botschaft Jesu endgültig ablehnen - mehr, sie wollen Ihn selbst aus dem Wege schaffen. Der Geist Seiner Sendung verbietet Ihm, sich mit Gewalt oder List zu schützen; ebenso aber auch, sich durch die Flucht in Sicherheit zu bringen. Er muß bleiben und annehmen, was kommt, das heißt, seinen Tod.
Und nun: Zum letzten Mal weilt Jesus mit dem engsten Kreis seiner Jünger in einem Saal, der Ihm zur Feier des österlichen Gedächtnismahles zur Verfügung gestellt worden ist. Die Gemeinschaft des Meisters mit seinen Jüngern ist in der Antike sehr eng, enger als die der Familie. So ist das Zusammensein von einem schweren Ernst erfüllt.
Dieser Abend soll aber nach Jesu Absicht nicht nur Abschied sein. Im Lukasevangelium sagt Er: "Mich hat sehnlich verlangt, dieses Passahmahl mit euch zu essen, bevor Ich leide." (Lk22,15) Was war das, was dem letzten Zusammensein über das Persönliche hinaus dieses besondere Gewicht gab?
Zu den Dokumenten des Geistes, an denen immer neu gemessen wird, was der Mensch wert ist, gehört eines, das ebenfalls
*1 [Der Vortrag wurde anläßlich des 37. Eucharistischen Kongresses 1960 zu München im Fernsehen des Bayerischen Rundfunks gehalten (A.d.H.)].


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