Romano Guardini Online Konkordanz
Treffernummer:

 < Seite 384> 


Maria Knoepfler zum Gedächtnis
[1928]

Vor einem Jahr *1 ist Maria Knoepfler hinweggenommen worden, mitten aus ihrer Arbeit an den Briefen Newmans heraus, deren zweiter Band bald vorliegen wird. *2 Meine Aufgabe, durch das Vertrauen langer Jahre zugewiesen, wäre es damals gewesen, ihr Gedächtnis festzuhalten, aber ich habe mich dazu nicht im Stande gefühlt. Galt es doch das Bild einer Persönlichkeit, die auf jenem kostbaren und nicht leicht deutlich zu machenden Gegensatz aufgebaut war, daß Fülle und Tiefe in der Durchsichtigkeit stehen, und das Ungewöhnliche in der Täglichkeit. Freundeswunsch hat mich veranlaßt, doch den Versuch zu wagen. So tue ich es, unter der Voraussetzung, es werde mir einmal erlaubt sein, ganz aus persönlicher Erinnerung sprechen; und ferner erlaubt, Zug neben Zug in dieses wahrhaft ungewöhnliche Frauenbild zu setzen, ohne die Pflicht, ihre Einheit begreiflich zu machen.
Es sind nun fünfzehn Jahre her, seit Freundeshand mich im väterlichen Haus Maria Knoepflers einführte. Ich sehe noch alles vor mir: Wangen, die schöne Allgäustadt mit ihren breiten Häusern, weiß schimmernd im Blau des gebirgsnahen Himmels, als ob Süden und Norden sich berührten; dann die Landstraße am Wald entlang ... und wie ist der Allgäuer Wald schön mit seinen hohen Stämmen! Lautlos geht man durch sie hin, in tiefem Moos einsinkend wie in weichen Teppichen; und kommt der Herbst mit seinem Zauberlicht, dann leuchten sie kupfern, in stiller Feierlichkeit, und alle Märchen sind gegenwärtig ... Am Walde also entlang die Landstraße; links weit drüben die helle, scharf gezackte Kette der bayrischen Alpen ... dann bog der Weg von der Straße ab; ganz still wurde es ... bis wir schließlich,
*1 [17.08.1927].

*2 Im Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz.

 < Seite 384>