Romano Guardini Online Konkordanz
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Die Kirche und die Gleichzeitigkeit
zu Jesus Christus

Das in der voraufgehenden Meditation erörterte Phänomen ist so bedeutungsvoll, und von seinem richtigen Verständnis hängt so viel ab, daß wir uns ihm noch einmal, und zwar von einem besonderen Gesichtspunkt aus zuwenden wollen.
Wenn der junge Mensch ins reifere Leben eintritt, dann prüft er naturgemäß seine Stellungnahme zum Glauben. E macht Krisen durch. Er fragt, ob er das, was ihm zu Hausee in der Schule und durch die Predigt gesagt worden ist, glauben könne; ja ob er es unter dem Maßstab der Wahrheit glauben dürfe bzw. solle. Fragt, ob und wie es ihm Halt für seiner Existenz und Führung für sein Leben und Arbeiten geben werde. Vielleicht meint er zuerst um der Ehrlichkeit willen mit ihm brechen zu müssen; dann regt sich aber doch wieder der Wunsch, einen Stand im Religiösen zu gewinnen, und eine neue Bemühung um die christliche Wahrheit setzt ein.
Und nun möchte ich von einer persönlichen Erfahrung sprechen dürfen, von der ich aber glaube, sie könne auch für Andere Bedeutung haben.
Ein Wort aus dem Neuen Testament hatte mich nämlich immer in jener Eindringlichkeit angesprochen, welche Zuweisung und Führung bedeutet. Es steht Mt 10,39 und lautet: »Wer sein Leben finden«, das heißt, retten »will, wird es verlieren, und wer sein Leben verliert um Meinetwillen, wird es, finden.« Der Text redet zunächst vom Martyrium; wie es aber so geht, wenn ein solches Wort ins innere Leben fällt, nahm er eine für mich besonders dringliche Bedeutung an; und aus dem Doppelsinn, welchen das griechische psyche hat, das ja sowohl »Leben« wie »Seele« meint, sagte es: Wer seine Seele festhält, der wird sie verlieren; wer sie aber hergibt, der wird sie gewinnen.

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