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Der eschatologische Charakter der Kirche

Im Folgenden soll von der Kirche unter einem Gesichtspunkt die Rede sein, der dem christlichen Denken in den letzten Jahrzehnten wichtig geworden ist, nämlich dem der eschata, des Endes der Zeit und aller Dinge. Dieser Gesichtspunkt hat das christliche Bewußtsein in seiner ersten, bedrängten Zeit ganz beherrscht. Als dann die Kirche auch irdisch anerkannt war, ist er zurückgetreten; er wird uns aber heute wieder bedeutungsvoll - vielleicht als Vorzeichen kommender Bedrängnisse und zur Stärkung der Treue, jedenfalls aber auch als Anzeichen dafür, daß manche aus Mittelalter und Barock stammende Vorstellungen irdischer Größe der Kirche und des Christseins als das erkannt werden, was sie sind, nämlich Antworten auf zeitbedingte Notstände, im übrigen aber verhängnisvolle Illusionen.
Das Wort kommt vom griechischen to eschaton, »das Letzte«, und meint den Charakter, der dem christlichen Dasein eignet, sofern es wohl erlöst, aber auch durch die Zeit, jede Zeit, die Zeitlichkeit als solche in Frage gestellt ist; sofern es auf ein Letztes, auf die Wiederkunft des Herrn, auf das Ende aller Zeitlichkeit, auf Auferstehung, Gericht und Ewigkeit hin in Bewegung steht, und dieses Letzte schon jetzt wirksam wird.
Sofort muß aber eine wesentliche Unterscheidung gemacht werden. Manchmal wird der Begriff des Eschatologischen so verstanden, daß die - abstrakt gesprochen - christliche Gegebenheit, um die es sich handelt, von aller gegenwärtigen Realität abgelöst und ihr Sinn ganz in die geglaubte Zukunft der Wiederkehr Christi verlegt wird. Eine neue Form also des alten Bestrebens, den Gehalt der Heilsbotschaft von jeder irdisch erfahrbaren Wirklichkeit zu trennen, ihn in die bloße

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