Romano Guardini Online Konkordanz
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Vorgestern habe ich ein Kolleg begonnen über das Wesen der christlichen Existenz. Ich versuche es mit dem Thema zum ersten Mal, nicht ohne Herzklopfen. In der Einleitung habe ich von Wilhelm Koch und seinen Versuchen über »den Lebenswert des Dogmas« gesprochen.*1199 Fünfzig Jahre sind es nun schon her. Mir war komisch zu Mute. Viele, viele Hörer - »wie Schafe, die keinen Hirten haben.«*1200 Lieber Freund, es steht nicht gut, mit vielem nicht.
Also auf baldiges Wiedersehen. Und laß Dir die Augensache nicht das Gemüt bedrücken. Der Mensch ist sehr elastisch, sonst wäre er schon längst nicht mehr auf dieser in so vieler Hinsicht buckligen Erde.
Romano.

213.
Brief vom 17.03.1957, Bad Kohlgrub.
Bad Kohlgrub*1201 Obb.
17.3.57
(Kurhaus)
Lieber Josef,
wie Du aus obigem Ortsvermerk siehst, bin ich in Kur. Kohlgrub ist ein hübscher Ort in freundlicher Landschaft, und das Kurhaus ist ebenfalls nett. Man steigt jeden zweiten Tag (Sonntag vacat*1202) in eine große Holzbütte voll von braunschwarzem Moor, und phantasiert darin wie es wäre, wenn es nicht die feste Bütte und das sichere Zimmer wäre und bekommt dann allerlei Gefühle. An jedem Tag dazwischen wird man massiert und lernt dabei die eigene Anatomie kennen, was aber heilsam für die Neuralgien sein soll. Außerdem gibt es Strophantinspritzen, jeden Tag, weil das Herzmaschinchen nicht ganz will, wie es soll. Und so noch das eine oder andere.
Ich hoffe, die Geschichte tut ihre Wirkung. Bis 30. März denke ich hier zu bleiben.

1199 Guardini widmete Koch sein Werk: Christliches Bewußtsein. Versuche über Pascal, Leipzig (Hegner) 1935 (M 436).
1200 Mt 9,36.
1201 Kurbad im bayerischen Voralpenland, Oberbayern.
1202 Sonntag ist frei.

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