![]() | Treffernummer: |
< | Seite 201 | > |
Isola Vic., Donnerstag 29.10.53 Ein paar Gedanken oder Einsichten, die mir gekommen sind: Bei einem Pontifikalamt: In einem ziemlich langen Zug bringen die Akolythen nach der Terz die Paramente zum Sitz des Bischofs, immer ein Kleidungsstück nach dem anderen. Das hat mit »Kleidung« in unserem Sinn, Ausdruck der Persönlichkeit, Nutzen, Schmuck usw. nichts zu tun. Sondern jedes Stück ist eine Mächtigkeit, die angetan wird. Soviel als möglich. Und dann steht der Pontifex da und schreitet, erfüllt mit Macht, zum heiligen Werk, von dem Gemeinde und Welt leben. So ist das; und jeder Protestant, jeder Rationalist wird Zeter rufen über den Greuel und Unsinn – und doch ist es so. Warum Christus nicht in Macht durchgebrochen – oder aber fortgegangen ist und sich gerettet hat? Dann wäre nicht die ganze Wirklichkeit des Menschen zum Vorschein gekommen – die Epiphanie der Verlorenheit wäre nicht ganz geschehen. Der Mensch hätte nicht erfahren, wie sehr zerstört er ist. Isola, Sonntag 1.11.53 Das Menschenwesen ist geheimnisvoll gebaut. Alles ist geschenkt, denn vom Grundbestand kann man sich nichts geben und nichts wegschaffen. Aber innerhalb der Daseinsgabe kann man erkennen, daß man das, was man hat, bezahlen muß. Der Mensch, das wird mir immer wieder deutlich, ist das universelle Wesen. Er ist auf das Ganze der Welt bezogen, und darum hat er selbst Weltcharakter. Innerhalb des Universellen bekommt er eine spezielle Bestimmung; aber er übersteigt sie durch jene Allmöglichkeit. So weiß er um seine Eingeschränktheit; und daß er sie annimmt, ist der Preis für das, was er ist. Man hört aber nie auf, den Preis zu spüren. Es gibt eine andere Art des geistigen Schaffens, die mit dem Fühlenkönnen bezahlt werden muß. Man sieht das ein, aber man kommt nie über die Tatsache weg, daß das Leben leer ist. Damit die Werke entstehen können, muß das offenbar so sein; | ||
< | Seite 201 | > |