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Laß dir, daß Kindheit war..."
Interpretation eines Elegienfragments
Rainer Maria Rilkes

Vorbemerkung
Unter den Bruchstücken, die aus dem geistigen Umkreis der Duineser Elegien stammen, findet sich eines ohne Titel, das mit den Worten beginnt: "Laß dir, daß Kindheit war..." Es ist eine unvollendete Dichtung, die im Jahr 1920 in Schloß Berg am Irchel entstanden ist und in verschiedenen Entwurfsstufen vorliegt.*1 Die erste hat Rilke selbst für den Druck vorbereitet. Sie reicht mit 45 Versen bis zu den Worten: "wachsend verholze" und wurde im dritten Band der »Werke« von MCMXXVII Seite 465ff veröffentlicht. Eine in Einzelheiten veränderte und um 18 Verse erweiterte Fassung geht bis zu den Worten: "den gesteigerten Raum" und ist von Rilke bereits ins Reine geschrieben. *2 Ein dritter Entwurf umfaßt sieben Zeilen. Er hat den Charakter einer bloßen Skizze und reicht bis zu den Worten: "sich schämen für immer" *3. Endlich liegen noch drei weitere Bruchstücke vor, Notizen für eine spätere Fortführung. *4
Die Dichtung spricht von der Kindheit und führt Motive der Duineser Elegien so weit vor, daß diese im Vergleich dazu zurückhaltend scheinen. Ein Drama in verborgenster Tiefe wird deutlich, für Rilkes eigene Kindheit aufschlußreich, die von großen, ihrer selbst noch unmächtigen Begabungen beunruhigt war und im Lebensraum einer sehr ungünstig zusammengefügten Familie heranwuchs; in der alten Stadt Prag, über deren merkwürdige Atmosphäre das Buch von Demetz *5 Aufhellendes
*1 Rainer Maria Rilke, Sämtliche Werke, hrsg. von Ernst Zinn, Insel-Verlag, Bd. II MCMLVI, S. 130ff, 457ff. Dazu Anm. S. 759 und 788.
*2 Werke hrsg. v. E. Zinn, Bd. II, S. 457ff.
*3 Ebd., S. 460.
*4 Ebd., S. 460ff.
*5 René Rilkes Prager Jahre, Cop. 1953."

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