Romano Guardini Online Konkordanz
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Vorbemerkung

In Platons Werk über den Staat, an jener Stelle, wo Sokrates darlegt, wie im »Guten« die höchste Wahrheit mit dem Göttlichen selbst eins ist, antwortet der ergriffene Ausruf Glaukons, seines jungen Zuhörers: »Von allübersteigender Schönheit redest Du da!« (509b)
Über die Weise, wie der große Meister des Philosophierens den Staat zum Hüter der sittlichen Ordnung macht, kann man gewiß verschiedener Meinung sein. Wir haben bittere Lehren darüber empfangen, was geschieht, wenn die Behörde in die Hand nimmt, was Sache der Freiheit ist. Eines aber hat seine Philosophie für immer klargestellt: Nach der Verwilderung des Denkens in der Sophistik hat sie gezeigt, daß unbedingte Gültigkeiten bestehen. Daß diese erkannt werden können, und es also eine Wahrheit gibt. Daß sie in der Hoheit dessen zusammengefaßt sind, was »das Gute« heißt, und dieses Gute im Leben des Menschen, je nach den gegebenen Möglichkeiten, verwirklicht werden kann. Sie hat gezeigt, daß das Gute eins ist mit dem Göttlichen; daß seine Verwirklichung aber den Menschen zur eigentlichen Menschlichkeit führt, indem die Tugend entsteht - welche Tugend vollendetes Leben, Freiheit und Schönheit bedeutet. Alles das gilt für immer, auch für den heutigen Tag.
Von diesen Dingen soll hier die Rede sein. Die nachfolgenden Meditationen - sie werden im Unterschied zur wissenschaftlichen Abhandlung, mit Bedacht so genannt - sind aus gesprochenem Wort hervorgegangen, und die Weise, wie dieses aufgenommen wurde, hat gezeigt, daß unsere Zeit, trotz all ihrer Skepsis, nach einer Deutung des täglichen aus dem Ewigen heraus verlangt.

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