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Johannes der Täufer und Jesus
[1951]

I.
Am 24. Juni begeht die Kirche das Gedächtnis der Geburt Johannes des Täufers. Das ist kein geschichtliches Datum. Man kann nicht sagen: heute, im Jahre so und so viel ist im galiläischen Bergland Johannes, der Sohn des Zacharias und der Elisabeth, geboren worden, sondern der Tag ist ein Symbol. Die Kirche hat die Feier dieser Geburt auf ihn gelegt, weil sein Charakter mit der Sendung des Täufers zusammenstimmt.
Es ist wie bei jenem anderen Gedächtnistag, auf dem Gegenpol des Jahreskreises, dem 24. Dezember, dem Geburtsfest Jesu. Auch er ist nicht historischer, sondern symbolischer Art, deswegen von der Kirche gewählt, weil sein Charakter dem Ereignis gemäß ist, das an ihm gefeiert wird. Beide Tage liegen nämlich unmittelbar nach der Sonnenwende; der Johannestag aber nach der des Sommers, während Weihnachten auf jene des Winters folgt.
Und was hat das für – wenn es erlaubt ist, sie so zusammenzunehmen – die beiden Gestalten zu bedeuten?
Der Städter, der nicht mit der Natur lebt, nimmt von der Sommersonnenwende in der Regel keine Kenntnis; der Landbewohner hingegen wird durch sie unmittelbar berührt – wenigstens war das noch bis vor kurzem so. Die Gebräuche der Sommerwende drücken eine unbändige Lust aus – freilich eine, in der sich ein dunkles Gefühl regt. Der Bogen des Sonnenlaufs hat seine äußerste Höhe erreicht. Licht und Wärme des großen Gestirns sind voll geworden. Der Sommer beginnt, und alles geht der Reife entgegen. So bricht die Freude des Menschen übermächtig aus. Am Tag der Feier – sie liegt nicht auf dem 21., sondern auf dem 24. Juni – ist aber der Höhepunkt in

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