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Gestalten und Erzählungen (Mythen), in zusammenhängenden Darlegungen (Religionslehren), in Symbolen und Handlungen (Kulten) usf. Das Ergebnis sind die Religionen, wie wir sie bei allen Völkern und zu allen Zeiten in der Geschichte vorfinden. Die Frage ist nun, ob das so erfahrbare „Ganz-Andere“ - oder, wie Otto es nennt, das „Numinose“, Gottheitliche - einen Weg aus der Zweideutigkeit der Welt hinaus öffne. Das ist nicht der Fall. Wenn wir die religiösen Lehren der verschiedenen Völker zusammennehmen, sehen wir, daß sie einander in der gleichen Weise widersprechen, wie die Welt sich selbst widerspricht. Sie übersetzen die Zweideutigkeit der Welt ins Religiöse. Sobald wir die verschiedenen Religionen prüfen, sehen wir, daß sie keinen Standort außerhalb der Welt schaffen, von dem aus eine echte Stellungnahme zu dieser möglich würde. In ihnen drückt sich zwar vielfach - von der Fülle einzelner Wahrheiten und Hilfen abgesehen, die sich in ihnen findet -die Not des Daseins und die Ahnung eines selbst Freien und Befreienden aus; im letzten wird aber der Charakter der Zweideutigkeit und Verschlossenheit der Welt durch sie nur noch besiegelt. Anders die Offenbarung, deren literarischen Ausdruck das Alte und das Neue Testament bilden. In dem Sinne, wie Geistesgeschichte und Psychologie das Wort verstehen, ist sie gar nicht „eine Religion“ unter anderen, sondern steht zur Welt der Religionen quer. Sie öffnet die Verschlossenheit der Welt. Sie gibt die Möglichkeit, in deren Zweideutigkeiten zu unterscheiden. Sie schafft einen Standort „außerhalb“ der Welt, von dem her eine echte Stellungnahme zu ihr möglich wird. Sie vollzieht, christlich gesprochen, „Gericht“ über das, was „Welt“ heißt, die Erscheinungen des Unmittelbar-Religiösen mit eingeschlossen. Das tut sie, indem sie jenen Gott deutlich macht, der nicht nur einen Ausdruck des Weltgeheimnisses bildet, sondern von der Welt unabhängig ist -ebendeshalb aber zu ihr im Verhältnis einer Positivität steht, die bei keiner unmittelbaren Religion möglich wird. Von dorther wird auch allein deutlich, was der Mensch wirklich ist. | ||
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