Romano Guardini Online Konkordanz
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Gestalt mehr! Was ist das Geschehen der Weihnacht noch, wenn es in hundert süßlichen Krippenspielen verraspelt wird ? Wie werden alle Geheimnisse des Glaubens in Hymnen und Legenden herumgezerrt! Vielleicht sagt einer, das sei Schwäche; man dürfe sich jene Gestalten nicht zerstören lassen. Aber ich sehe und höre, und der Kitsch ist zäh wie Fliegenkleister. Er klebt sich ins Gehirn, und unendliche Mühe muß man aufwenden, bis man ihn wieder los ist. Denke nur an die furchtbaren religiösen Bilder in Kirchen, Kalendern und frommen Büchern aller Art. Wie ist einem die Gestalt Christi verwüstet worden, daß man Jahrzehnte brauchte, bis man die klebrige Unnatur losgebracht hatte!
Oder die Sprache, das Wort! Zeitung, Plakat, Reklame und Rede sind an der Arbeit und wüsten. Noch vor einigen Jahren war das Wort "edel" etwas Köstliches. Man brauchte es sparsam. Man wußte, damit kannst Du sagen, was selten ist, einsam, vornehm. Heute ist das Wort versudelt. Mit Edelgasen hat es angefangen, kam dann zu Edelkommunisten und Edelstahl. Nun ist es beim Edelschnaps geendet. Aber mir geht etwas verloren, wenn ein Wort, für das es keinen Ersatz gibt, in jedem Straßenbahnwagen durch die grelle Frechheit eines Likörplakats gezerrt wird! Was ist aus dem Wort "Mensch" geworden! Aus den Worten "Leben", "Wert"! Und so fort. Eine einzige Reihe von Verwüstung! Wie werden die heiligen Worte zerstört: Offenbarung, Gnade, Gottmensch. Gar "Gott" selber! Mit welcher Schamlosigkeit werden sie herumgezogen! Dienstbar gemacht den nichtigsten Belangen des ersten besten Schreibers, der irgend ein Gedänklein aufbauschen will. Mir ist, als sei unser Erbe zwischen die Steine einer ungeheuren Maschine gekommen, die nun alles zerreibt. Arm werden wir, ganz arm! Was nicht echt ist, in sich und in unserer Seele, geht zugrunde. Aber es wird wohl so sein müssen. Vielleicht kommen wir nicht anders zu wirklicher Wesenhaftigkeit.

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