Romano Guardini Online Konkordanz
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Gott hat Geduld, Gott ist gütig -und sofort-, all die wichtigen Sätze, mit denen wir das Große, Schöne der Schöpfung, von der Unvollkommenheit gereinigt, auf Den übertragen, der sie geschaffen hat. Wenn wir aber genau zusehen: Was das Wort »gerecht« meint, wenn es sich auf einen Menschen bezieht, wissen wir, denn wir sind endliche Wesen und daher mit endlichen Begriffen zu erfassen; wenn wir es aber auf Gott beziehen, der jenseits aller Maße und Begriffe ist? Bleibt der Sinn des Wortes »gerecht« dann noch bei uns? Wird er uns nicht sozusagen aus der Hand genommen? Mit unserem Denken und Sagen über Gott geht es doch so: Alles Endlich-Seiende hat seine Wesensgestalt von Ihm. Daher nehmen wir eine der Eigenschaften dieses Seienden, fassen sie ins Wort, tragen es zu Gott und sagen: So ist Er, nur in ganz vollkommener Weise, als Urbild jenes Endlich-Abbildlichen. Dabei wird das Wort aber gewissermaßen vom Abgrund Gottes verschlungen, und wir können nichts anderes tun, als Seine Übergröße zu verehren.
Ebenso ist es hier. Wenn ich etwa von einer Mutter sage, sie sei gütig, die ganze Familie lebe davon - dann weiß ich, was der Satz meint, und schönere Wahrheit kann man einem Menschen nicht zudenken. Wenn ich aber sage: Gott ist gut? Zunächst weiß ich, was ich meine; dann aber greift das Geheimnis nach dem Wort und holt es mir weg. Doch eine Sinnrichtung bleibt, wie eine leuchtende Bahn, die ein Meteor zieht, wenn er in die Unmeßbarkeit des Weltraumes entschwindet. Eine Stille bleibt, die die Richtung fühlt; eine Scheu, die vor dem Geheimnis erschauert; und alles wird zur Anbetung.
Das aber heißt für unsere Frage: Gott ist auch da gut, wo wir seine Güte nicht begreifen.




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