Romano Guardini Online Konkordanz
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Josef! Wenns mich schon so drückt, daß ich schier weinen möchte; wenns mich vor den Menschen weglaufen und schweigen läßt, der ich so gern mit ihnen umgeh - was wirds in Deinem Herzen erst sein! O, ich bin ja froh, daß ich etwas davon fühle, und meine, dadurch stehe ich Dir näher. Aber ich verstehe jetzt noch mehr und sehe es noch klarer, daß man sich dagegen wehren muß und wehren kann. quasi tristes, ja, semper autem gaudentes*154, und Gottes Kraft hat Ölberg und Kreuz überwunden und Ostern geschaffen. Gelt, lieber Josef? Schau die Gnade der Firmung ist in Dir; wie den Heiland hat Dich der hl. Geist in die Prüfungen geführt, aber er gibt Dir auch die Kraft auszuhalten, freizuwerden, die Freiheit zu gewinnen von allem, was den Frieden stört. Nicht vom Leid, aber von Unruhe, Druck, und Angst. O, mich wollt es gestern bedrücken, als ich über all diese Dinge nachdachte, als ob Du und Dein Mütterlein*155 Gott sehr, sehr teuer sein müßtet. Ihr müsset nur lernen die Tugend, - ganz lernen, sag ich, denn sie ist euch ja schon vertraut, - des großen frei und frohmachenden Vertrauens in ihn. »Von gründlicher Gelassenheit in Gottes Hand« sprachen die alten Meister*156. Es ist die Tugend, die jene lernen müssen, die Gott dunkle, harte, ungewisse Wege führt, sie ist schwer; aber ich meine, wenn jemand, könnet ihr sie lernen. Jedes Leben hat seine Tugend, seinen verborgenen Sinn. Vielleicht ist das der des euren: froh zu werden im Leid; vertrauend in der Ungewißheit. Aber das weißt Du wohl alles schon. Sei aus ganzem Herzen gegrüßt!
Dein Romano.

154 Im Gästebuch Maria Knoepflers (Archiv Mooshausen) steht ebenfalls die Eintragung: »quasi tristes, semper autem gaudentes ... (2 Cor 6) R A Guardini. 9. Febr. 13.« (»gleichsam traurig, immer aber in Freude ...«).
155 Freundschaftlicher Name für Maria Knoepfler, meist abgekürzt D M.
156 Anspielung auf Meister Eckhart, mit dem sich Guardini in der Beschäftigung mit Mystik auseinandersetzte; vgl. M 256.

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