Romano Guardini Online Konkordanz
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zu großer Kultur, und möchten gern lernen, wie wir heute damit Ernst machen können.
Was gibt diesen großen, herben Forderungen die Renaissance? Was geben ihr die Schriften, Briefe und Tagebücher, in denen die Feste und Kriege, Aufstände und Reisen, Intriguen und Leidenschaften, Laster und Tugenden jener Menschen sich offenbaren, die nach dem suchten, dessen wir heute so herzlich müde sind?
So schauen wir auf die Renaissance zurück, wie jemand auf seine eigene Kindheit sieht. Er sieht, wie in buntem Reigen begann, was nun ist, findet aber nichts, was ihn vorwärtsführt. Aber vielleicht könnte die Renaissance uns etwas anders geben: ihre Form, in der sie ihr neues Leben ausprägte? Die prächtige, kräftige, farbige Fülle ihres gesellschaftlichen Lebens und ihrer Städte, die an der Antike erwachte klassische Klarheit, die glanzvolle Harmonie, den großen, breitströmenden Rhythmus ihrer Schöpfungen? Wir suchen ja aus dem Gewirr künstlerischer Stillosigkeit und gesellschaftlicher Barbarei nach neuen Formen. Wir suchen eine neue Klassik, d.h. Gestaltungen in Kunst und Wirklichkeit, in denen unser Leben seine ganze, starke und ruhevolle Aussprache fände.
Aber wiederum: hat die italienische Renaissance uns hierzu den Weg zu weisen?
Zwei Dinge sind in unser Leben getreten, die unsere Kultur zum schroffsten Gegensatz der Renaissance machen: die Maschine und ihre Schwester, die eiserne Arbeit. Was soll uns da die leuchtende Pracht eines Sebastiano del Piombo, die ziervolle Grazie Botticellis, die gelöste würdige Anmut Rafaels? Wie fern steht Bramante unserem architektonischen Empfinden, wie fern Michelangelo unserem Monumentalwillen! Kann er uns die Form offenbaren, die unsere Brücken und unsere Talsperren suchen? Und schauen wir in unser Gemeinschaftsleben, in die Vorgänge in unseren Städten, das rastlose Wirken der Industriebezirke, das Ringen der Wissenschaft, die Spannungen des sozialen und innerpolitischen Lebens - und halten daneben

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