Romano Guardini Online Konkordanz
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ist sie Ausdruck einer romantisch-ästhetischen Gefühlsart. Wir wollen aber auch nicht vergessen, daß der den praktischen Aufgaben Zugewandte nur zu leicht die Probleme einfach ignoriert. Oder er hat einen Glauben an die Macht des Fortschritts, er denkt, es werde schon alles richtig werden, und fühlt sich von eigener Verantwortung entlastet. In Wahrheit handelt es sich um Fragen, welche den Menschen und seine Zukunft betreffen.
Man möchte ein bißchen phantasieren - Utopien sind ja schon so oft Wirklichkeit geworden, daß das durchaus legitim wäre: Möchte sich einen geistigen Rat der Völker vorstellen, in welchem die Besten jenseits aller Politik diese Fragen miteinander bedächten. Das menschliche Dasein ist so weit vorgeschoben, der Mensch so sehr sich selbst in die Hand gegeben, die Möglichkeiten des Leistens wie des Zerstörens so unabsehlich geworden, daß es Zeit ist für eine neue Tugend: eine geistige Regierungskunst, in welcher der Mensch, durch soviel Erfahrung ernst geworden, aus der Befangenheit in die Einzelbereiche des Denkens und Lebens herausträte. Das geschähe also in diesen Besten. Ein lebendiges Menschheitsbewußtsein würde sie fähig machen, das Ganze unserer Existenz zu überschauen, und in einer wahrhaft souveränen Sachlichkeit würden sie die "res hominis" bedenken.
Eine Utopie, wie gesagt; aber Utopien sind ja oftmals Vorläufer sehr ernsthafter Erkenntnisse und Taten gewesen. Wenn ich recht sehe, rührt sich manches in dieser Richtung; es beunruhigt aber, daß alles so vereinzelt und zögernd geht. In der Geschichte arbeiten die schaffenden und verbindenden Kräfte langsamer, als die einseitig-gewaltsamen, und das Lösend-Helfende kommt oft zu spät. Es wäre eine große Huld der Geschichte, wenn jene Helligkeit des Bewußtseins, zu dessen Bildung Wissenschaft und Technik soviel beigetragen haben, fähig würde, dem Drohenden zuvorzukommen.



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